Königsberger Denkmäler und Skulpturen in Kaliningrad – Teil 6

Kaliningrad ist eine moderne Stadt. Im Rahmen der Entwicklung des Tourismus wird durch die Kaliningrader Regierung immer mehr Wert auf die historische Vergangenheit der Stadt und des Gebietes gelegt. Zur historischen Vergangenheit gehören auch altdeutsche Denkmäler und Skulpturen, die den Krieg und die Nachkriegswirren überdauert haben und heute noch im Stadtbild präsent sind. In einer neuen siebenteiligen Serie zeigt ein historisch interessierter Deutscher Königsberger Denkmäler und ihr Schicksal im heutigen Kaliningrad.
Um das, nach dem Ersten Weltkrieg vom Deutschen Reich abgetrennte Ostpreußen wirtschaftlich zu fördern, wurde im Glauben an eine bessere Zukunft die Deutsche Ostmesse Königsberg ins Leben gerufen. Obwohl sie ganz bescheiden im Tiergarten im Jahre 1920 begann, so verleihte doch die Tatsache, daß der Reichspräsident Ebert persönlich die Messe eröffnete der Veranstaltung von vornherein ein gewisses Gewicht. Bereits im darauf folgenden Jahr stellte die Stadt vom Entfestigungsgelände 60.000 Quadratmeter zur Verfügung (nördlich des Wallrings/heute Baranovstraße). Zuerst wurden von West nach Ost (beginnend vom Handelshof 1922/23, der heutigen Stadtverwaltung) sieben Messehallen mit 23.000 Quadratmeter bebauter Fläche errichtet. Diese, und auch der Eingang, befanden sich auf dem grossen Platz vor dem Bürgermeisteramt und erweiterte sich nach und nach Richtung Osten über das Gelände hinweg wo sich heute, die 73 Meter hoch aufragende Christ-Erlöser Kathedrale befindet. Regelmäßige Teilnehmer der Messe waren Schweden, Finnland, Sowjetunion, Estland, Polen, Ungarn und die Türkei. Mit dem Bau des von Hans Hopp 1925 errichteten Gebäudes, dem Haus der Technik, war die Ostgrenze der Ausstellungsfläche erreicht. Während der (anfangs zweimal, ab 1928 nur noch einmal im Jahr) stattfindenden Veranstaltung wurden im Haus der Technik, das einen eigenen Schienenzugang besaß, grosse Maschinen und schwerste Technik gezeigt. Während des restlichen Jahres diente es u.a. für Reitturniere, Großveranstaltungen und auch Massenversammlungen; Brüning, Göbbels und Hitler hielten dort Reden.
Während des Krieges wurde das Dach zerstört, die mächtigen Mauern hielten jedoch stand und das Gebäude wurde als offener Marktplatz benutzt. Heute, Epicenter genannt, ist das „Haus der Technik“ wieder mit Dach versehen und ist ein stadtbekanntes Einkaufszentrum mit Restaurants und einem bewachten Parkplatz.
Herrman Brachert, in Stuttgart geboren und aufgewachsen, erhielt mit 29 Jahren bereits eine Professur in Königsberg und leitete bis 1925 die Abteilung für Bildhauerei an der Königsberger Kunst-und Gewerbeschule. Von Brachert, der ab 1933 in Georgenswalde/Otradnoje bei Rauschen/Svetlogorsk an der Ostsee lebte (dort existiert bis heute noch ein Brachert-Museum) gibt es neben etlichen Plastiken dort, auch noch Werke von ihm in Kaliningrad zu sehen: es sind Arbeiten am „Haus der Technik“ (1924), in der Spulchenfabrik (Waggonfabrik) am Hafen, am Portal der großen Eingangstür am Landesfinanzamt /heute Gebietsverwaltung sowie eine Arbeit von ihm oder einem Schüler in der heutigen Engels Straße 45/ ehemals Leostraße in Amalienau.
Es darf an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, daß etliche Werke von Brachert bereits von den Nazis als entartete Kunst entfernt wurden.
Wenn man vom Hansaplatz (dem heutigen Platz des Sieges) in Richtung Westen läuft, erblickt man schon nach wenigen Schritten auf der rechten Seite zwei kämpfende Wisente, oder wie der Schöpfer der Großskulptur, August Gaul, der bekannteste Tierbildhauer seiner Zeit sie nannte, zwei kämpfende Auerochsen. Die, 1912 in Bronzeguss aufgestellten Skulpturen wurden im Volksmund „Staatsanwalt und Verteidiger“ genannt. Bereits 1923 wurde von der Königsberger Dichterin Charlotte Wüstendörfer folgender kleine Spruch angebracht:
Dies war jedoch nie die Intention des Bildhauers, denn es war reiner Zufall, daß direkt dahinter um 1917 das Land-und Amtsgericht, der Erweiterungsbau (die heutige Technische Universität erst 1931) erbaut wurde, also zu einer Zeit als die Paarhufer sich schon ein paar Jahre gezankt hatten. Außer ein paar Jahren im Kaliningrader Zoo in den 1950-er Jahren stehen sie seitdem vor dem neobarocken Portal.
Keine Minute der Straße weiter nach Westen folgend erkennt man schon von weitem das ehemalige Neue Schauspielhaus, das heutige Dramtheater; im Krieg schwer zerstört, wurden beim Wiederaufbau nach dem Vorbild des Bolschoj-Theaters Säulen vorgeblendet.
Jedoch schon vorher, gegenüber dem Eingang, erkennt man zur Linken den Theaterplatz. Hier steht, inmitten eines kleinen Parks mit Blumenbeeten, Springbrunnen und einer Säulenarkade das von Cauer geschaffene Schillerdenkmal. 1910 eingeweiht stand es ursprünglich auf dem Paradeplatz vor dem Stadttheater (in der Nähe des Kantdenkmals an der neuen Universität) ehe es 1936 an seinen heutigen Platz wechselte. Als Modell für die hohe Gestalt Schillers diente dem Bildhauer Cauer ein junger Hafenarbeiter. Als eines der wenigen Denkmäler kam es völlig unbeschadet durch die Kriegswirren und überstand auch die Zeit danach ohne Beschädigungen und Umsetzungen. Angeblich soll das Denkmal verschont worden sein, weil ein unbekannter Rotarmist der Statue ein Schild mit der russischen Aufschrift „nicht schießen, es ist ein Dichter“ um den Hals gehängt haben soll. Der Sockel ist um die kyrillische Schrift des Namens und die Jahreszahlen erweitert worden.
Das, nach der ostpreußischen Stadt Friedland (heute Prawdinsk) auch heute noch so genannte Friedländer Tor (Friedlandski Vorota) war im Ring um Königsberg neben dem Brandenburger Tor eines der Einlaßtore von Süden (Ecke Österreichische Straße/Schönfließer Alle, Prospekt Kalinina/ul. Dzerschinskogo). In seiner direkten Nähe befand sich der Galgen, die Richtstätte des Kneiphofs` im Mittelalter.
Bei der erwarteten Ankunft der französischen Truppen im Jahre 1807, nach der Schlacht von Heilsberg, kam das anrückende französische Korps bis vor die Wälle des Tores und fand die Stadt verbarrikadiert und die Erde verbrannt vor; die Mühlen und mehr als 30 Häuser direkt vor dem Friedländer Tor wurden abgebrannt um dem Gegner keinen Unterschlupf zu gewähren und somit wurde die Stadt, erstmal vorläufig, vor dem Einmarsch der Franzosen verschont. Es kam zu einem kleinen Gefecht und der Versuch der Angreifer über den Pregel zu setzen wurde abgewiesen. Auch wenn diese Episode nicht kriegsentscheidend war (der darauffolgende Rückzug der Franzosen beruhte nicht auf der Uneinnehmbarkeit der Königsberger Festung, sondern der Abkommandierung der Truppen für die bevorstehende Schlacht bei Friedland) führte es doch der Bevölkerung vor Augen wie wichtig gut befestigte Stadttore waren. Bei der bereits geschilderten Rundumerneuerung ein paar Jahrzehnte später wurden die Bauwerke dann auch oft mit Medaillons und Reliefs von verdienten Militärs und Patrioten geschmückt.
Im Falle des Roßgärter Tores (am heutigen Wassilewski Platz, Beginn der Cranzer Allee) sind dies Generalfeldmarschall Gneisenau und Generalleutnant von Scharnhorst, beide ihre Zeichens Militärreformer aus der Zeit der Befreiungskriege Anfang des 19. Jahrhunderts. Sie sind bis heute noch an der Stadtseite des Tores zu bewundern, genauso wie am Sackheimer Tor (Moskauer Prospekt/Anfang Tapiauer Straße) die Reliefmedaillons der beiden Militärs und Heeresreformer Yorck und Bülow.
Am Friedländer Tor, in dem sich heute ein kleines Museum über das historische Königsberg befindet, sind u.a. noch zwei restaurierte Sandstein Standbilder zu bewundern. Auf der Stadtseite die Figur des Komturs von Balga, Friedrich von Zollern und auf der Rückseite der 15. Hochmeister des Dt. Ritterordens Friedrich von Feuchtwangen. Der Deutschherrenorden, wie er auch genannt wird, entstand 1190 in Akkon (im heutigen Norden Israels); ursprünglich als Spitalbruderschaft, ab 1198 auch als ritterliche Kampfgemeinschaft zum Schutz der Pilger im Heiligen Land gegründet. Über Venedig (von 1291 bis 1309) verlegte der Hochmeister seinen Amtssitz auf die Marienburg (heute Malbork, Polen). Nach dem Zweiten Frieden von Thorn 1466, dem Verlust großer Gebiete inklusive der Marienburg, verblieb die Ordensleitung bis zum Übertritt Albrechts zum Evangelischen Glauben und der Umwandlung des Ordensstaates in ein weltliches erbliches Herzogtum 1525 in Königsberg. Das höchste Amt im Orden bekleidete der Hochmeister, deren einer, Siegfried von Feuchtwangen 1303 bis 1311 war.
Friedrich von Zollern war Komtur (Leiter) der Niederlassung des Ordens in Balga, einem reizvoll gelegenen Dorf am Frischen Haff (Kaliningradski Saliv). Älter als die Hauptstadt (1255) wurde Honeda, wie es auch genannt wird, bereits 1239 gegründet. Das, zungenförmig ins Frische Haff ragende kleine Dorf, war strategisch wegen der Lage am Haff und der daraus resultierenden Kontrolle über den Schiffsverkehr überaus wichtig. Nicht umsonst entstand eine enorme Festung und sie ist auf dem Gebiet des heutigen Oblast Kaliningrad die älteste Ordensburg. Die Burg verfiel bereits im späten Mittelalter, jedoch sind bis heute große Teile, über- und unterirdisch noch zu entdecken; zu Vorkriegs- wie auch heutigen Zeiten ziehen die alten Wälle und Burggräben Besucher aus nah und fern an.
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