Ich kündige … auf eigenen Wunsch. Der Kaliningrader Bürgermeister geht …

Ich kündige … auf eigenen Wunsch. Der Kaliningrader Bürgermeister geht …
 
Für diejenigen, die in den letzten sieben Tagen keine Zeitung gelesen haben, kam natürlich der heutige Rücktritt des Kaliningrader Bürgermeisters Silanow plötzlich und unerwartet. Für diejenigen, die sich mit dem täglichen gesellschaftlichen Leben beschäftigen, kam der Rücktritt auch überraschend.
 
 
Schon vor Wochen, vor vielen Wochen sahen aufmerksame Beobachter, dass sie nichts sahen. Der Bürgermeister Alexej Silanow war mit irgendwelchen Kommentaren, Informationen und seinem Foto in den Kaliningrader Medien immer weniger präsent. Das ist dann immer ein Anlass, um nachzudenken.
 
Videobegleitung: Alexej Silanow
 
Und wer nachgedacht hat, wird sich erinnern, dass der Wechsel im Amt des Bürgermeisters von Kaliningrad im April 2018 erfolgte - unerwartet. Die Fußball-Weltmeisterschaft stand kurz bevor. Jaroschuk wurde als Deputat in die Moskauer Staatsduma entsandt und Silanow kam von diesem Stuhl, auf dem sich jetzt Jaroschuk setzen sollte, nach Kaliningrad.
 
Foto: Alexander Jaroschuk
 
Eigentlich wechselt man die Pferde nicht während eines Galopps … so, oder so ähnlich sagt ein deutsches Sprichwort. Aber in Kaliningrad hat man sich dazu entschlossen.
 
Der Grund ist vermutlich darin zu suchen, dass man nicht wollte, dass der bis dato tätige Bürgermeister Alexander Jaroschuk sich zu sehr im Erfolg der Weltmeisterschaft sonnte und vielleicht doch irgendwelche überdrehten Vorstellungen auf den Gouverneursstuhl umsetzt.
 
Videoeinspielung: Filmklassiker „Der unsichtbare Reisende“
 
Jaroschuk war das Überbleibsel aus der unseeligen Zukanow-Zeit, wo sich Stadt und Gebiet im Kriegszustand befanden. 2016 hat das föderale Zentrum – so wissen wir es heute – kluge Personalentscheidungen getroffen … und hierbei spreche ich nicht nur von der geschickten Lösung der Besetzung des Gouverneursstuhls. Es ist viel mehr passiert.
 
Videobegleitung: Alexej Silanow
 
Lange Rede, kurzer Sinn. Allen war eigentlich klar, dass Alexej Silanow nur ein Intermezzo ist. Er hatte keine politischen Ambitionen, war ruhig, sachlich und ein guter Arbeiter. Viele, so auch ich, waren davon ausgegangen, dass er bis zu den Wahlen im Jahre 2021 im Amt bleiben wird. Danach würde ein anderer die Geschicke der Stadt lenken.
 
Dann begann man im September im Stadtsowjet die Wahlordnung bzw. das Stadtstatut umzuschreiben, wieder wurde das Amt des Bürgermeisters geteilt in Bürgermeister und Citi-Manager. Man begann zu ahnen, dass irgendwelche Änderungen bevorstehen.
 
Foto: Jelena Djatlowa
 
Vor einer Woche wurde bekannt, dass eine der wichtigsten Ministerinnen der Gebietsregierung, Frau Jelena Djatlowa ihre Kündigung eingereicht hat. Schnell wurde bekannt, dass sie in die Stadtverwaltung wechselt … Rätselraten … vom Minister in die Stadtverwaltung … was für ein Absturz. Dann wurde vermutet, dass sie Bürgermeisterin werden soll … also, die Gerüchteküche nahm an Temperatur auf.
 
Seit Donnerstag war dann klar, dass der Bürgermeister heute am Freitag, seine Kündigung einreicht. Dann ging alles Schlag auf Schlag und man kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.
 
Frau Djatlowa wurde vom Stadtrat als Citi-Managerin gewählt, also das Arbeitstier, welches die realen kommunalen Probleme zu lösen hat. Allerdings nur bis November. Dann wird diese Funktion ausgeschrieben und jeder, der meint, dass das ein Posten für ihn wäre, kann sich bewerben. Eine Kommission wird dann Personalgespräche führen und den oder die Beste auswählen. Natürlich wird es weitere Bewerber geben, aber an sich habe ich keine Zweifel, wer DIE BESTE ist.
 
Foto: Jelena Djatlowa
 
Ich hatte mit Frau Djatlowa ein Treffen, als sie noch in der Gebietsregierung zu den gruseligen Zukanow-Zeiten arbeitete. Mein Eindruck von ihr … hm, naja … so la, la. Um ein zweites Treffen hatte ich dann nicht mehr gebeten.
 
Und dann kam der Paukenschlag – der neue Bürgermeister, also der, der die Stadt nach außen hin zu repräsentieren hat … vergleichbar vielleicht mit dem deutschen Präsidenten. Man darf öffentlich auftreten, kluge Worte sprechen und einige wichtige Dokumente formell unterschreiben … in das wirtschaftliche und kommunale Tagesgeschäft hat er sich nicht einzumischen.
 
Videobegleitung: Andrej Kropotkin
 
Und dann wurde der jetzige Vorsitzende des Stadtrats Andrej Kropotkin gewählt. Im Leben hätte ich dies nicht vermutet. Viele Jahre leitet er schon den Stadtrat und ist eigentlich noch ein „Kaderelement“ aus der Zukanow/Jaroschuk-Zeit, einer der ganz wenigen, die noch übriggeblieben sind und eine zentrale Funktion besetzen.
 
Andrej Kropotkin erklärte nach der Wahl, dass er zu den Wahlen zum Stadtsowjet im Jahre 2021 wohl nicht wieder antreten wird … also somit auch nicht mehr Bürgermeister sein kann. Er füllt nur einige Monate die Personallücke.
 
Insgesamt entstand bei mir der Eindruck einer sehr hastigen Aktion zur Erneuerung der Stadtführung. Warum das alles so hastig geschah und warum man nicht bis zu den ganz normalen Wahlen im September 2021 warten konnte … ich habe keine Ahnung … äh, noch habe ich keine Ahnung, aber ich bin ja neugierig.
 
Und damit ist aber der ereignisreiche Tag noch nicht beschlossen. Es wurde nämlich bekannt, dass der nun exBürgermeister Alexej Silanow in die Gebietsregierung wechselt und dort den Posten eines Vizepremiers einnimmt.
 
Videobegleitung: Gouverneur Alichanow, Bürgermeister Kropotkin, exBürgermeister Silanow
 
Das ist eindeutig eine Beförderung. Für welchen Bereich er dort verantwortlich ist, wird gegenwärtig noch geklärt. Nächste Woche sollen wir alles erfahren. Einige Kaliningrader Medien mutmaßen, dass er u.a. Kultur und Tourismus unter seine Fittiche nehmen soll.
 
Wie so häufig im russischen Leben, im föderalen russischen Leben und im regionalen russischen Leben, kommen viele Dinge unerwartet und wenn sie erwartet kommen, dann sind die detaillierten Lösungen doch nicht so, wie vermutet. Das ist das, was das Leben in Russland so spannend macht.
 
Videoeinspielung: Filmklassiker „Der Idiot“
 
Tschüss und Poka aus Kaliningrad

 

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