Blockadestadt oder Frontstadt Kaliningrad. Die Uhren zeigen zehn Minuten vor Zwölf

Blockadestadt oder Frontstadt Kaliningrad. Die Uhren zeigen zehn Minuten vor Zwölf
 
In Todesanzeigen liest man häufig „plötzlich und unerwartet …“ Genau dasselbe trifft jetzt auf die Situation des Kaliningrader Gebietes zu, welches plötzlich und unerwartet von der litauischen Transportblockade getroffen wurde – buchstäblich über Nacht. Wie ist nun aber der Stand der Dinge?
 
 
Kaliningrad scheint der neue Konfliktherd zu werden, den man braucht, um Russland von seinem eigentlichen Ziel, der Entwicklung der Wirtschaft und des friedlichen gesellschaftlichen Lebens, abzuhalten. Eine Vielzahl von emotionalen und sachlichen, aber auch unsachlichen Informationen zur aktuellen Situation um Kaliningrad, findet man jetzt im Internet.
 
Aus der Vielzahl der Informationen habe ich verstanden, dass nicht Litauen selber die Blockade verhängt hat, sondern die Europäische Union das EU-Land Litauen angewiesen hat, diese Blockade zu verhängen. Dazu scheinen die Anweisungen wohl sehr nebulös gewesen zu sein, denn was denn wirklich blockiert wird, scheint niemanden richtig klar zu sein. „Alles, was unter Sanktion gestellt wurde“, - so oder so ähnlich soll es in dem Dokument aus Brüssel stehen.
 
Es gibt über 10.000 Sanktionen, jede Sanktion mit ellenlangen Zusatzlisten versehen, die irgendetwas im Zusammenhang mit Russland verbieten. Ehe man das alles durchgearbeitet hat, vergehen Stunden, Tage, vielleicht sogar Wochen. Und so hat sich wohl Litauen, aus lauter Angst vor Brüssel oder gar der Kritik aus den USA und im vorauseilenden Gehorsam entschlossen, das Maximum an Blockade vorzunehmen, was möglich ist. Im Zweifelsfalle gegen den Todeskandidaten – könnte man eine Regel des Westens zu Fragen der Menschenrechte, entstellt zitieren.
 
Am Freitag den 17. Juni informierte Litauen Russland über diese Blockade. Noch in der Nacht zum Samstag wird diese in Kraft treten – also „plötzlich und unerwartet“.
 
 
Nein, es ist nicht ganz richtig. Richtig ist, dass diese Blockade „plötzlich“ kam, denn noch vor einem Monat, im Rahmen der Transportblockade gegen Russland, hatte man für Kaliningrad eine Ausnahme gemacht. Immerhin gibt es internationale Vereinbarungen – auf die die Europäische Union nun aber doch spuckt.
 
„Unerwartet“ kam diese Blockade auf keinen Fall. Vor vielen Jahren, sogar noch vor 2014, gab es eindeutige Signale, was sich unsere Nachbarn alles einfallen lassen würden, wenn es denn mal notwendig ist. Auf einigen Gebieten, z.B. der Energieversorgung und der Landwirtschaft, hat Kaliningrad reagiert und sich doch im wesentlichen abgesichert, obwohl wir, im Falle einer kompletten Transportblockade, sicherlich auf Bananen und Kaviar verzichten müssen.
 
Im Transportsektor haben wir aber nichts getan. Der Fährverkehr, sowohl ins russische Mutterland, wie aber auch Richtung Westen, unter Umgehung des launischen Polens, wurde nicht nur nicht ausgebaut, sondern sogar eingestellt. Er spielte keine Rolle. Angeblich sei der Transport per Fähre zu teuer, zu unrentabel. Ob das wirklich jemals ernsthaft geprüft wurde?
 
Jetzt wird es aber richtig teuer werden. Wie häufig in Russland, muss das Kind erstmal in den Brunnen fallen.
 
 
Erste Kommentare zum Sortiment, welches von der Transportblockade erfasst wird, besagen, dass 50 Prozent der nach Kaliningrad eingeführten Waren davon betroffen sind. Andere Angaben sagen sogar 75 Prozent.
 
Verhängt wurden von der „Solidargemeinschaft russophober Westen“ Sanktionen gegen Waren mit Doppelverwendung, also z.B. Zement, Metall, Ziegelsteine. Kaliningrad wird also seine Schächte für die Atomraketen nicht weiter bauen können. Schade, da müssen dann wohl noch ein paar Iskander- oder Kinschal-Raketen nach Kaliningrad zusätzlich verlegt werden. Die brauchen keine Schächte, die sind mobil.
 
Aber Lebensmittel haben auch eine Doppelverwendung. Der Kommandierende der Ostseeflotte, das weiß ich aus ganz sicherer Quelle, isst Brot, Kartoffeln und ab und zu auch mal ein Stück Fleisch. Also müsste der Transport von Lebensmitteln im Transit über Litauen auch verboten werden.
 
Das allerdings erinnert dann schon an die 900-Tage-Blockade von Leningrad, erfolgreich organisiert durch die Soldaten der deutschen Wehrmacht. Erfolgreich deshalb, weil man es geschafft hat eine Million Menschen erbärmlich verhungern zu lassen. Genau diese Zahl an Einwohnern hat auch das Kaliningrader Gebiet.
 
Mich beruhigen aber zwei Dinge.
 
 
Zum einen hat auch Kaliningrad, ähnlich wie damals Leningrad, einen „Weg des Lebens“. Die Faschisten konnten damals den Nachschubweg für Waffen, Munition und Lebensmittel über den Ladogasee weder im Sommer und schon gar nicht im Winter, blockieren. Auch wir in Kaliningrad haben einen „Weg des Lebens“, denn noch ist die Ostsee durch die NATO nicht blockiert worden.
 
Und das zweite, was mich beruhigt ist, dass ich ganz bestimmt keine 900 Tage hungern werde. Das wird Mütterchen Russland nicht zulassen, denn wir schreiben das Jahr 2022 und nicht das Jahr 1943.
 
Und schon sind wir bei den mehr oder weniger emotionalen oder aber auch sachlichen Meinungsäußerungen und Kommentaren, die wir am Montag in den russischen Medien zur Thematik lesen oder hören konnten.
 
Der russische Senator Andrej Klischas kommentierte über seinen Telegram-Kanal, dass man mit äußerster Härte und auf der Grundlage gesetzlicher Festlegungen reagieren werde, wenn es zu einer Blockade Kaliningrads kommen sollte. Dies wäre eine Verletzung der Souveränität Russlands über sein Gebiet.
 
Ein anderer Senator im Föderationsrat, Andrej Klimow forderte von der Europäischen Kommission sofort die entstandene Situation zur Blockade Kaliningrads seitens Litauens zu korrigieren. Sollte dies nicht erfolgen, wird man sich völlig freie Hand lassen für Entscheidungen, um dieses Problem, mit jedem beliebigen Mittel, zu lösen.
 
Der Senator kommentierte weiter, dass Litauen NATO-Mitglied wurde, weil man das Problem des Kaliningrader Transits damals geregelt hatte. Das Verhalten Litauens ist deshalb jetzt so gefährlich, weil sich der ganze Militärblock einem Schlag ausgesetzt sehen könnte. Es sieht so aus, als ob die NATO eines ihrer Mitgliedsländer für eine direkte Aggression gegen Russland nutzt, um damit eine unverzügliche Reaktion zur Selbstverteidigung Russlands auszulösen – so der Senator.
 
Der ehemalige Diplomat Rostislaw Ischenko kommentierte im Portal „Ukraina.ru“, dass die durch Litauen organisierte Transportblockade des Kaliningrader Gebietes Anlass für den Beginn von Kampfhandlungen sein könnte. Mit seinen Handlungen hat Litauen den Zugang Russlands zu seinem eigenen Territorium eingeschränkt.
 
„Diese Entscheidung ist Selbstmord. Man kann dies als casus belli, also als Grund für eine Kriegserklärung nehmen. Das internationale Recht regelt, dass jedes Land das Recht haben muss, sein Territorium zu betreten, wenn es sich um eine Exklave handelt. Eine Einschränkung dieses Rechts kann als Aggression bezeichnet werden“, - so Ischenko.
 
Russland hat jetzt noch den Zugang über die Ostsee. Deshalb kann es sein, dass die Verbündeten Litauens bei ihrer Entscheidung einfach dieses internationale Recht ignoriert haben, denn der Zugang ist, wenn auch erschwert, nach wie vor möglich. Allerdings fordert das internationale Recht den Zugang auch über den Landweg – kommentiert Ischenko.
 
Der Militärexperte des Institutes der GUS-Staaten Wladimir Jewsejew erklärte, dass Russland sich zu harten Reaktionen gezwungen sieht, sogar bis hin zur Anwendung von Atomwaffen, sollte die NATO versuchen, sich des Kaliningrader Gebietes zu bemächtigen.
 
„Ich will nicht ausschließen, dass Polen die Lage an der Grenze zum Kaliningrader Gebiet zuspitzt. Wenn aber auch nur der leiseste Verdacht bei Russland auftaucht, dass sich die NATO auf die Einnahme von Kaliningrad vorbereite, so wird man Atomwaffen einsetzen und einen Landkorridor durch das litauische Gebiet schaffen. Wenn der Westen bereit ist für eine derartige Entwicklung, dann soll er die Situation zuspitzen“, - so Jewsejew. Die Bereitschaft einen Konflikt mit Russland herbeizuführen wird sich allerdings dann verringern, wenn Russland seine Militäroperation in der Ukraine erfolgreich fortführt – meint Jewsejew.
 
Stellen wir zum Schluss meiner Information noch die Frage, warum denn diese Transportblockade gegen Kaliningrad verhängt wurde? Einfach nur der Sanktion wegen, um den Zeitraum zwischen dem sechsten und siebten Sanktionspaket der Europäischen Union ein wenig mit Zwischensanktionen auszufüllen? Oder hofft man mit dieser Blockade eine „Situation“ in Kaliningrad schaffen zu können, wo unter der Bevölkerung entweder Panik oder aber Unruhen ausbrechen, die man nutzen kann, um der Bevölkerung der leidgeprüften Exklave exKönigsberg zu Hilfe eilen zu können.
 
Ich sehe keinen anderen Sinn in dieser Aktion.
 
Aber diese Rechnung wird nicht aufgehen. Es wird in Kaliningrad, dem „Klein-Russland“, mit großer Wahrscheinlichkeit genau das passieren, was auch im großen Russland passiert ist. Die einfache menschliche Logik spricht dafür.
 
Im Zuge der Zuspitzung der Situation wird das Kaliningrader Gebiet unter verstärkte Kontrolle genommen – mit allen Konsequenzen, die wir darunter verstehen. Die prowestlichen Elemente, die Germanisatoren, die End-Russifizierer werden die Gefahr spüren und das Gebiet verlassen. Russland sollte die Grenztore in Richtung Westen Tag und Nacht offenhalten, damit diese problemlos, mit Sack und Pack ausreisen können. Die Verbleibenden in Kaliningrad scharen sich um den Gouverneur, den Vertreter des russischen Präsidenten und warten auf die Risikobereitschaft der westlichen Selbstmörder.
 
Hoffen wir, dass es nicht zu diesen Folgen kommen wird und hoffen darauf, dass man sowohl in Moskau, wie auch in Kaliningrad mit kühlem Kopf die Situation analysiert und mit Gegensanktionen in der Art antwortet, dass der gesamte Transporttransit durch das Kaliningrader Gebiet für die Europäische Union eingestellt wird.
 
Günstig wäre auch, all die ausländischen Quellen abzuschalten, die sich noch offiziell im Kaliningrader Gebiet befinden und über die tagtägliche aktuelle Situation berichten und damit Tipps geben, wie man der Region und Russland maximalen Schaden zufügen kann. Es sollten all diejenigen aus dem Gebiet entfernt werden, die als koordinierendes Zentrum für mögliche Situationen im Kaliningrader Gebiet eine Funktion übernehmen könnten.
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Kommentare ( 6 )

  • Manfred SCHARTOW

    Veröffentlicht: 20. Juni 2022 20:06 pm

    Man kann es drehen und wenden wie man es will, aber die in Angriff genommene Blockade hat ihren Ursprung in Warschau. Kaczynski, Duda und Co. gehen aufs Ganze, auch wenn noch ist unklar, wer der Unterzeichner der Brüsseler Anweisung war.
    Russland soll als Aggressor dargestellt werden, in Erwartung einer militärischen Antwort auf diese Blockademassnahme.

    Ich habe die Hoffnung, dass es in der EU, Litauen und in Russland noch Menschen gibt, die hier eine Lösung finden.

  • Detlef

    Veröffentlicht: 21. Juni 2022 10:02 pm

    Die Blockade ist ein Test. Zuerst wurde mit - Finnland und Schweden in die Nato - getestet. Ähnlich läuft es in der Ukraine. Dort wird ständig russisches Territorium bombardiert zuletzt auf der Krim. Und jedes Mal droht Russland, wir werden beim nächsten Mal die Entscheidungszentren in Kiew usw. ausschalten. Und beim nächsten Mal werden durch Russland die Drohungen wiederholt, ohne dass Taten folgen. Da das im Süden seit Wochen so geht, wird jetzt die nächste Provokation gestartet. Wenn Russland wieder nur redet, kommt die nächste Stufe.

  • Müller-Thurgau

    Veröffentlicht: 21. Juni 2022 10:55 pm

    Rußland hätte sich auf eine *totale* Blockade des Landweges vorbereiten müssen, schon vor Beginn der Militäroperation. Die EU-Länder sind Feindstaaten, die früher oder später die Sanktionen sowieso verhängt hätten. Verträge brechen sie nach Belieben.
     
    Die Fähren, die zum Einsatz kommen sollen - bzw. nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen -, sind das Autofähren? Ich denke, man müßte große Containerschiffe einsetzen. Natürlich müssen die Hafenanlagen für schnellen Umschlag geeignet sein, die ganze Logistik muß entsprechend optimiert werden. Sind die Häfen im Mutterland und in Kaliningrad in der Lage, die neuen Anforderungen zu bewältigen?

    • Uwe Erich Niemeier

      Veröffentlicht: 21. Juni 2022 11:33

      Kaliningrad hat gegenwärtig drei Eisenbahnfähren und eine Containerfähre. Am Freitag kommt noch eine Fähre hinzu - ich gehe davon aus, dass es eine Eisenbahnfähre ist, da die bisherigen drei bis Ende Juli voll ausgelastet sind, aber die Containerfähre erhebliche Transportreserven hat. Soweit ich informiert bin, bewältigen die Kaliningrader Häfen den Umschlag - sie waren bisher nie voll ausgelastet gewesen.

  • Müller-Thurgau

    Veröffentlicht: 21. Juni 2022 16:01 pm

    Eisenbahnfähren? Warum will man Güterzüge über 900 km herumschippern, die auf Kaliningrader Gebiet nicht mehr weit fahren können? Da wäre es doch sinnvoller, nur die Container zu transportieren. Natürlich werden dafür leistungsfähige Containerhäfen in ausreichender Größe benötigt. Es könnte 5 vor 12 sein.

  • Anton Amler

    Veröffentlicht: 21. Juni 2022 17:31 pm

    Kein Zahn im Maul, aber ...
    Manchmal lohnt es sich, Dinge in einem größeren Zusammenhang zu betrachten.
    Da gibt es den schönen Ausspruch:
    Geh weg - Feigling - lass mich hinter den Baum!
    Das US Unternehmen NATO hat sich mit einem Schutzgürtel eingeladener Helfer umgeben, der diese, die eigentlich selbst Schutz vor einem imaginären, furchtbaren, gnadenlosen Feind suchen, letztendlich in die vorderste Front rückt, wo sie im sog. Bündnisfall frei heraus sagen dürfen:
    Ave Sam - morituri te salutant!
    Die sich überhebenden Baltischen Zwerge mit, von oben nach unten, 101 - 100 - 141 Parlamentsabgeordneten bei rund 6 Mil Bürgern, Hessen vergleichbar, verfügen über ein Territorium wie halb D. Ihre Population, mit jeweils 1960 als 100% angenummen, ist bis 1990 unter SU Herrschaft um ca 30% angestiegen, und 2020 etwa auf dem Stand von 1960.
    Am BIP müssen sie bei dem überzogenen Überbau aber noch arbeiten:
    Littauen 2021 - 23473 US $
    Hessen 2021 - 48200 US $
    Kann man da auf Einnahmen verzichten ?

  • loyalo nilats gleichgesinnter

    Veröffentlicht: 26. Juni 2022 13:29 pm

    es ist offensichtlich. der westen legt es aufs äußerste an. sender gleiwitz läßt grüßen. kennedy hat 1963 chrustschow ein ultimatum gestellt. der hat begriffen, daß man irgendwann einlenken muß. putin sollte gleiches mit der eu und somit auch litauen tun. eine grauenhafte entwicklung. und die paßdeutschen in berlin haben keine angst vor einem dritten wk, auch nicht vor einem atomkrieg. es beruhigt mich und viele andere aber, daß auch diese verbrecher dann im feuerball verbrennen werden. und nicht nur die. tschüs und poka.

    • Uwe Erich Niemeier

      Veröffentlicht: 26. Juni 2022 13:37

      Russland hat 30 Jahre eingelenkt. Ich denke, die nächsten 30 Jahre ist jetzt der Westen an der Reihe.

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