Der lange Abschied aus Russland


Am 24. Februar 2022 begann Russland sich gegen die Bedrohung seiner Sicherheit an den südlichen Grenzen seines Landes zu wehren. Dies hatte zur Folge, dass die antirussischen Politiker die prorussischen ausländischen Unternehmer zwangen, das Land zu verlassen. Aber so einfach scheint das nicht zu sein – selbst beim besten Willen nicht.
Alle wissen, dass jede Krise in der Welt einmal zu Ende geht. Die Krisensituation mit Russland wird etwas länger dauern – da sind sich alle einig. Sie wird so lange dauern, wie russophobe Politiker in den antirussischen Ländern das Sagen haben und sich die Wirtschaft und Bevölkerung deren Politik gefallen lässt.
Bis dahin aber tut die Wirtschaft das, was diese Politiker fordern – wohl wissend, dass dies für sie mit viel Schaden verbunden ist. Wobei „viel Schaden“ ein relativer Begriff ist. Ob die Firmen, die Russland jetzt verlassen, wirklich einen realen Schaden erleiden, wird von vielen angezweifelt. Immerhin kennt man in der westlichen Besteuerung auch den Begriff „Verlustabschreibung“. Es soll sogar Unternehmen geben, die speziell im Ausland, wo die heimatlichen Finanzbehörden keinen oder nur geringen Zugriff haben, Firmen, Niederlassungen oder sonstiges in der Art gründen, um organisierte Verluste einzufahren, die dann über die Steuer im Heimatland abgeschrieben werden können. Wobei klar ist, dass es diese Verluste gar nicht gibt, sondern manipuliert sind.
Im jetzigen Fall ist es aber so, dass real Verluste für die westlichen Firmen entstehen – im hohem Milliardenbereich. Die Firmen schreiben diese Verluste über die Steuer ab, was letztendlich bedeutet, dass der Steuerzahler diese Verluste zu tragen hat – indirekt natürlich.
Erfolgen Steuerabschreibungen, so vermindern sich natürlich die Steuereinnahmen des Staates und er hat weniger Finanzmittel zur Verfügung, um seinen geplanten Aufgaben nachzukommen. Die Firma selber spürt den Verlust nur langfristig – durch Umsatzeinbußen, aber den materiellen Verlust der Firma, der Fabrik, der Immobilie, spürt die Firma nicht. Das trägt alles der Staat über die Verlustabschreibung. Der einfache Bürger spürt es mittelfristig, dass der Staat weniger Geld hat, um seinen Pflichten nachzukommen.
Soweit ganz straff die Ausgangssituation dargelegt.
Wie sieht es nun in Russland konkret aus?
Einerseits – ich gebe es ehrlich zu – freue ich mich, dass ausländische Firmen Russland verlassen. Das ist ein rein subjektives Gefühl, welches wirtschaftliche Vernunft ignoriert.
Insbesondere freue ich mich bei Firmen, die bereits in den 90er Jahren sich in Russland niedergelassen haben. Bei vielen ist klar, wie diese zu ihren Aktiva gekommen sind und mit welchen Methoden sie ihr Business organisiert haben. Jetzt verlieren sie dies alles wieder. Häufig gehen die Aktiva in die Hände ihrer Mitarbeiter oder des leitenden Managements über.
Sicher gibt es ausgeklügelte Verträge, wie man später miteinander umgeht, wenn sich die Situation wieder normalisiert hat. Aber irgendwie habe ich meine Zweifel, ob das russische Management, welches jetzt im Besitz der Firma ist, diese wieder abgeben, an den ehemaligen Besitzer rückübertragen wird.
Als ein reales Beispiel sei das Werk von „Renault“ erwähnt, welches für einen Rubel verkauft wurde. Im Vertrag wurde vereinbart, dass Renault das Recht behält, im Verlaufe der kommenden fünf Jahre dieses Werk auch wieder zurückkaufen zu können.
Damit dies auch wirklich nicht passiert, also der Verkauf in fünf oder zehn Jahren nicht so einfach rück abgewickelt wird, hat sich der russische Staat jetzt etwas einfallen lassen. Man ist doch immer wieder erstaunt, welche einfachen Lösungen es für schwierige Probleme in Russland gibt.
Schon vor Monaten, eigentlich gleich nach Beginn des Militäreinsatzes in der Ukraine und dem Beginn der wirtschaftlichen Einflussnahme des Westens auf Russlands Wirtschaft, wurde der einfache Verkauf von Aktiva durch Ausländer verboten. Wer etwas verkaufen will, selbst wenn es sich um seine kleine Ein-Zimmer-Wohnung handelt, braucht hierzu eine Genehmigung des russischen Staates. Wann diese Genehmigung erteilt wird … tja, keine Ahnung. Das hängt sicherlich von vielen, so auch subjektiven Dingen ab.
Gegenwärtig warten 2.000 ausländische Firmen darauf, dass Russland die Genehmigung erteilt, dass sie das Land verlassen dürfen. Das teilt die Zeitung „Financial Times“ mit. Es existiert eine spezielle Regierungskommission, die dreimal im Monat zur Beratung zusammentrifft. Pro Beratung werden maximal sieben Anträge geprüft. Das macht rund 20 Anträge im Monat. Somit hat diese Regierungskommission Arbeit für die kommenden 100 Monate.
Und diese Regierungskommission hat nun einige kleinere Nuancen formuliert, die die ausländischen Firmen zusätzlich beachten müssen. Wer aus Russland weg will, muss Geld bezahlen: fünf Prozent des Marktwertes der Firma muss an den russischen Haushalt überwiesen werden. Wenn sich die Besitzer entscheiden, die Firma mit einem großen Preisnachlass zu verkaufen – nicht selten gibt es Preisnachlässe von 90 Prozent, so wächst der Betrag der durch den Ausländer zu zahlen ist auf zehn Prozent vom Marktwert. Mit anderen Worten: Der Ausländer verliert nicht nur seine Aktiva, sondern muss auch noch zusätzlich dafür bezahlen.
Daran ist der Ausländer logisch nicht interessiert. Was also tun?
Er verlagert diese Kosten auf den Käufer seiner Aktiva. Da dieser also jetzt die Firma „forn Appel und nen Ei“ bekommt, dafür aber eine erhebliche Summe in den russischen Staatshaushalt einzahlen muss, betrachtet sich der Russe natürlich als echten Eigentümer der ex-ausländischen Aktiva und wird wohl kaum einer Rückübertragung in irgendeiner nahen oder fernen Zukunft zustimmen – es sei denn, der Ausländer stimmt einer großzügigen Entschädigung zu, wenn es reale Möglichkeiten eines Neuengagements irgendwann mal wieder geben sollte. Aber auch hier habe ich meine Zweifel, dass der neue russische Besitzer sich von seinem „Lebenswerk“ trennt. Und genau das scheint wohl auch vom russischen Staat gewollt zu sein: Russisches Eigentum in russischen Händen mit russischen Produktionslinien, die den Verbleib von Gewinnen im Lande garantieren.

Zum Ende des Beitrages noch eine aktuelle Information, die am Donnerstag von den russischen Medien veröffentlicht wurde. Die Raiffeisenbank, sie gehört zu den systemtragenden Banken in Russland, funktioniert noch, wenn auch mit eingeschränktem Leistungsumfang. Über diese Bank kann man anscheinend auch noch Valuta überweisen – wenn auch zu horrenden Gebühren. Die USA interessieren sich bereits für diese Bank und somit war es klar, dass es nicht lange dauert, bis die Europäische Zentralbank die Raiffeisenbank auffordert, ihre Tätigkeit in Russland einzustellen. Der Direktor der Raiffeisenbank in Russland beklagt sich nun, dass das alles nicht so einfach ist, denn man findet niemanden, der die Bank haben will. Der Weggang der Bank aus Russland wird sich also noch lange hinziehen. Bis dahin werde man Schritt für Schritt einzelne Dienstleistungen einstellen.
Es wird also, nicht nur für die Raiffeisenbank, ein langer Abschied aus Russland.
Sie sahen einen Beitrag von „Baltische Welle“. Vielen Dank für Ihr Interesse. Tschüss und Poka aus Kaliningrad.
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