Der Skandalauftritt des deutschen Generalkonsuls im Angesicht von 7.000 Toten


Am heutigen Sonntag gedachte die Kaliningrader Gesellschaft der, durch deutsche Faschisten ermordeten 7.000 Juden im Ort Palmnicken, dem heutigen Jantarny. Eingeladen war auch der deutsche Generalkonsul in Kaliningrad. Seine Rede war unangemessen und fehl am Platze.
Bereits in einem ersten Beitrag hatte ich meinen Zuschauern und Lesern vom „Marsch des Todes“, heute als „Marsch des Lebens“ bezeichnet, berichtet.
Der Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Kaliningrad, Herr Hans-Günther Mattern, lehnte es ab, mit mir, in meiner Eigenschaft als Blogger und eigentlich Einzigem, der in deutscher Sprache aktuell aus Kaliningrad berichtet, ein Gespräch zu führen bzw. Fragen zu beantworten. Dabei kannte er meine Fragen gar nicht.
Mein Angebot, mit ihm nach der Veranstaltung ein Gespräch zu führen, schlug Herr Mattern aus. Damit nahm er mir leider die Möglichkeit, zu einige Passagen seiner Rede am Mahnmal für die 7.000 Opfer der deutschen Mordtyrannei präzisierende Fragen zu stellen, so dass es zu keinen Missverständnissen kommt.
Seine Rede hat in einigen Passagen bei mir Verwunderung ausgelöst und noch mehr verwundert war ich, dass nach dem Auftritt des Generalkonsuls auch einige der Anwesenden klatschten. Sie hatten wohl der Rede nicht aufmerksam genug oder nicht kritisch genug zugehört. An der Übersetzung kann es nicht gelegen haben – die war perfekt.
Der Kaliningrader Gouverneur Anton Alichanow kann sich glücklich schätzen, dass er unmittelbar vor dem Auftritt des deutschen Generalkonsuls die Gedenkveranstaltung verlassen hatte. Ruft man sich die eiskalte Begrüßung der beiden Politiker vor Beginn der Veranstaltung ins Gedächtnis, ahnt man, dass der Gouverneur sich für die Äußerungen dieses deutschen Politikers nicht interessiert. Es ist nicht das erste Mal, dass Herr Mattern in gewisser Überheblichkeit, den Kaliningrader Gouverneur brüskiert. Das hat sich Anton Andrejewitsch heute erspart. Aber es wirft natürlich auch ein bezeichnendes Licht auf das zwischenstaatliche Verhältnis.
Ich habe, so gut wie es mir möglich war, den Text des Auftritts auf Papier synchronisiert. Lassen Sie mich einige Passagen zitieren und kommentieren:
Herr Mattern bedankte sich für die erneute Einladung, erinnerte daran, dass er auch schon in den vergangenen Jahren an der Gedenkveranstaltung teilgenommen hatte. Die diesjährige Gedenkfeier wolle er nutzen, so teilte er es den Anwesenden mit, um mit ihnen zwei Gedanken auszutauschen.
Der erste Gedanke, den er mit den Anwesenden austauschen wollte bestand darin, dass man sich immer wieder die Frage stellen muss, wie die Eltern, die Großeltern der heutigen Deutschen, das alles zulassen konnten, was geschehen ist. Herr Mattern erinnerte daran, dass es den damaligen Machthabern in Deutschland gelungen war, eine perfekte Mordmaschinerie zu errichten, wo jeder Deutsche sich als kleines machtloses Rädchen gefühlt hat.
Ich weiß nicht, wie sich diese Deutschen damals gefühlt haben. Aber ich weiß, dass Millionen mit dem fröhlichen Russlandlied auf den Lippen gen Osten gezogen sind, mit Panzern und Kanonen. Mit modernen Flugzeugen wurden Städte und Dörfer in Schutt und Asche gelegt. Alle Deutschen sind schuldig an dem, was geschehen ist, Herr Mattern und hier irgendetwas zu relativieren und den Deutschen die Rolle als kleines, vielleicht sogar unschuldiges Rädchen zukommen zu lassen, ist im Rahmen dieser Gedenkveranstaltung völlig unpassend.
Aber, Herr Mattern, trotzdem haben mich Ihre Worte an die vielen Millionen Deutschen erinnert, die heute wieder die Politik des Deutschlands unterstützen, welches sich Bundesrepublik Deutschland nennt und welches seine Panzer und Kanonen zur Verfügung stellt, um das Werk zu vollenden, was die von Ihnen erwähnten Eltern und Großeltern nicht vollenden konnten.
Dann begann der Generalkonsul über das Thema „Befehl und Gehorsam“ zu sprechen. Er erzählte den Anwesenden, dass er in der Bundeswehr als Wehrpflichtiger gedient habe.
Als Soldat habe er verstanden, dass der Gehorsam Grenzen hat. Es gibt keinen absoluten Gehorsam. Soldaten haben nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, ganz offensichtliche Rechtsverstöße nicht zuzulassen und Befehle zu verweigern. Der Soldat ist verpflichtet zum Widerspruch. So etwas zu tun, verlangt Mut. Aber ohne Mut und Widerspruch gibt es keinen guten Staat und keine gute Gesellschaft. Mut und Widerspruch verhindern im Kleinen Ungerechtigkeiten und im Großen Diktaturen und am Ende auch organisierten Massenmord.
Möglich, Herr Generalkonsul, dass es in der Bundeswehr andere Führungsprinzipien gibt. Möglich, dass Sie auch wirklich zu dieser Überzeugung gekommen sind. Dann wünsche ich aber der Bundeswehr nur, dass Sie niemals als Reservist einberufen werden und bedaure bereits jetzt Ihren Vorgesetzten, der sich mit einem diskutierenden Soldaten auseinandersetzen muss, ob ein Befehl erfüllt wird oder nicht.
Aber Herr Mattern, um mal von meiner Polemik wegzukommen, wen von den Anwesenden interessierte es, zu welchen Erkenntnissen Sie in der Bundeswehr gekommen sind. Hier wurde der 7.000 Toten gedacht und Sie wollen mit geschickter Rhetorik den Anwesenden über die Hintertür beibringen, dass man sich gegen die Regierung und gegen die Befehlsgewalt in der Armee auflehnen soll. Wie anders soll man sonst Ihre Äußerung verstehen, … „dass der Soldat zum Widerspruch verpflichtet ist“, das „der Gehorsam Grenzen hat“, das „Befehle verweigert werden müssen.“ Von welchen Soldaten sprachen Sie, Herr Mattern hier in Kaliningrad, auf russischem Boden? Sehen Sie Herr Mattern, hätten wir uns hinterher über Ihre Rede unterhalten können, hätte ich es erfahren, so aber vermute ich, dass Ihre Rede einen antirussischen Hintergrundsinn in dieser Passage hatte.
Dann kommt der deutsche Generalkonsul Mattern zu seinem angekündigten zweiten Gedanken. Er sucht Gründe für Optimismus in der Gegenwart. Und während seiner Suche fand er einen großartigen Satz von Immanuel Kant. Wo er diesen großartigen Gedanken gefunden hat, sagte er nicht – wohl kaum im Kant-Café, welches er noch vor zwei Jahren in Kaliningrad einrichten wollte. Er informierte die Anwesenden, dass der größte deutsche Philosoph und berühmteste Königsberger mal geschrieben hat: „Der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.“
Ich erinnerte mich an ein Stück von Michael Soschtschenko, „Die Kuh im Propeller“. Da stand auch ein Agitator vor einer Gruppe Bauern und agitierte. Kein Bauer verstand etwas. Und das Stück endete mit den Worten: „Die Bauern lächelten sehr finster und gingen langsam auseinander. Die Bauern waren ein zu ungebildetes Volk.“
Herr Mattern erläuterte deshalb seine Worte, bzw. die Worte des Deutschen Kant ein wenig. Er meinte, wenn der Mensch nachdenkt und in sich hineinhört, könne er sehr gut unterscheiden, was moralisch gut oder moralisch schlecht ist.
Warum erzählen Sie das den Anwesenden, Herr Mattern? Hier ging es um 7.000 ermordete Juden, von Deutschen ermordete Juden. Da interessieren keine philosophischen Überlegungen irgendeines Deutschen. Sie hätten lieber nach klugen Zitaten eines sowjetischen oder russischen Philosophen suchen und diesen zitieren sollen, mit dem Hinweis, dass es schade ist, dass sich die Deutschen so wenig mit der russischen Kultur beschäftigen, denn wenn sie dies tun würden, hätten wir heute nicht das Verhältnis, das wir haben.
Herr Mattern führte dann weiter aus, dass es optimistisch stimme, dass jeder Mensch, selbst wenn er nur geringe Bildung hat oder selbst, wenn er ständig von staatlicher Propaganda beschattet wird, zumindest ein wenig nachdenken und in sich hineinhorchen kann. Dafür hat uns die Natur Hirn und Seele gegeben – meint der Generalkonsul.
Aufgehorcht habe ich bei dem Begriff „staatliche Propaganda“. Er wird in den westlichen Demokratien, also auch in Deutschland nur verwendet, wenn es um Russland geht oder andere Länder, die sich nicht der westlichen Demokratie beugen. Herr Mattern war etwas unvorsichtig bei dieser Formulierung, fast so unvorsichtig wie seine Chefin, die Russland den Krieg erklärt und dies bisher noch nicht korrigiert hat.
Herr Mattern forderte also die Anwesenden auf, auch wenn sie noch so dumm sind, nachzudenken und der staatlichen Propaganda nicht zu lauschen. Wieder einmal hat Herr Mattern die Rolle des Generalkonsuls mit der des deutschen Oberlehrers eingetauscht. Unterlassen Sie es, Herr Mattern, den Russen Ratschläge zu geben, was sie tun oder nicht tun sollen.
Aber damit nicht genug, ruft der Generalkonsul auch alle auf nachzudenken und den Mut zum Widerspruch zu lernen.
Lassen Sie uns nachdenken, Mut und Widerspruch lehren – gerade wir Älteren den Jüngeren. Nur so gelingt es, die große Aufgabe zu erfüllen, die wir uns nach dem Holocaust gestellt haben – das darf sich nicht wiederholen.
Nicht wiederholen sollten sich derartige Auftritte des deutschen Generalkonsuls Mattern im Kaliningrader Gebiet. Es kommt einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands gleich, einem Aufruf zu zivilem Ungehorsam, wenn ein Ausländer Russen auffordert Widerspruch zu lehren. Wenn die Bundesrepublik Deutschland noch irgendwelches Interesse am Kaliningrader Gebiet hat, sollte sie dafür sorgen jemanden zu entsenden, der mit dem nötigen Fingerspitzengefühl seine Arbeitsaufgaben erfüllt. Falls es an derartigen Persönlichkeiten im deutschen Auswärtigen Amt fehlt, empfehle ich, mit Herrn Guido Herz, dem ehemaligen Generalkonsul in Kaliningrad und Botschafter in Kasachstan Kontakt aufzunehmen. Vielleicht ist dieser bereit, sein Rentnerleben zu unterbrechen.

Der Unterschied des Auftritts des deutschen Generalkonsuls zu allen anderen Rednern bestand darin, dass alle anderen sich auf die Thematik Holocaust konzentrierten, Worte fanden, die alle Anwesenden verstanden, die Bezug hatten zu dem Massenmord, begangen durch Deutsche.
Herr Mattern philosophierte und berichtete mit völlig unpassenden Passagen aus seinem Leben, welches zu diesem Anlass keinen Anwesenden wirklich interessierte. Im Gespräch mit Bekannten, die ebenfalls anwesend waren, wurde mein Eindruck bestätigt: Herr Mattern provozierte wieder einmal, rief zu Ungehorsam in der russischen Armee und Gesellschaft auf. Die Einschätzung, ob er die perfekte Fehlbesetzung ist, oder so, wie der Totengräber des deutsch-russischen Hauses Lissner, nur ein Provokateur, möchte ich meinen Zuschauern und Lesern überlassen.
Sie sahen einen Beitrag von „Baltische Welle“. Vielen Dank für Ihr Interesse. Tschüss und Poka aus Kaliningrad.
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