Deutsche diplomatische Arbeit in Kaliningrad – Teil 2

Deutsche diplomatische Arbeit in Kaliningrad – Teil 2
 
Im Jahre 2004 wurde bekannt, dass Deutschland und Russland die Einrichtung eines deutschen Generalkonsulates im Gebiet Kaliningrad vereinbart hatten. Hauptaufgabe des Generalkonsulates sollte die Ausstellung von Visa für die Bewohner der Region sein. Die Realität aber zeigt, dass dies wohl nicht die Hauptaufgabe war.
 

 
Die Einrichtung eines deutschen Generalkonsulates im exdeutschen Gebiet Kaliningrad war eine erstaunliche politische Idee, wenn man bedenkt, dass zum damaligen Zeitpunkt im Kaliningrader Gebiet, welches mit 15.000 Quadratkilometern Fläche mit dem Land Schleswig-Holstein vergleichbar ist, weniger als eine Million Einwohner lebten.
 
Grafik: Leiter des deutschen Generalkonsulats 2004-2021
 
Hätte Deutschland ein Visabüro mit ein oder zwei Mitarbeitern eingerichtet oder hätte man einmal wöchentlich einen Mitarbeiter der deutschen Botschaft oder des Generalkonsulates St. Petersburg nach Kaliningrad entsandt, um die Visaanträge der Kaliningrader Bürger zu bearbeiten, so wäre dies ausreichend gewesen – so meine subjektive Meinung, nachdem ich fast 17 Jahre die Arbeit der deutschen Behörde beobachtet habe.

Insgesamt hält sich die Anzahl der ausgereichten Visa durch das deutsche Generalkonsulat in überschaubaren Grenzen und steht in keinem Verhältnis mit dem Personalaufwand, der hier, zu Lasten der deutschen Steuerzahler, die natürlich darüber nicht informiert sind, betrieben wird.
 
Grafik: Visavergabe durch das deutsche Generalkonsulat
 
Schauen wir auf die Statistik der Visaerteilung, oder doch besser der Visaablehnungen, so sehen wir, wie die deutsche Politik ab 2015, also im Folgejahr der sogenannten Krim-Krise, Einfluss auf das nahm, was man in Deutschland Freiheit nennt. Wir exDDR-Bürger kennen noch die Losung: „Freie Fahrt für freie Bürger“. Für die Kaliningrader freien Bürger scheint dies nach 2014 nicht mehr zuzutreffen. Die Visagenehmigungen sinken, die Visaablehnungen steigen.
 
In Ermangelung weiterer Informationen, kann ich Ihnen die Statistik für 2019-2021 nicht vorlegen, gehe aber davon aus, dass die Visaerteilung in 2019 noch geringer geworden ist und, bedingt durch die Corona-Krise, in den Jahren 2020/21 wohl nur in Einzelfällen neue Visa erteilt worden sind. 
 
Aber es ist die souveräne Entscheidung des deutschen Staates – belassen wir es bei dieser Feststellung.
 
Video: Stadteindrücke Kaliningrad (Wohnungen der deutschen Diplomaten)
 
Nach mir vorliegenden Informationen verfügt die deutsche Behörde über neun oder zehn Mitarbeiter. Viele werden begleitet von Ehepartnern. Alle sind in Kaliningrad großzügig mit Wohnraum versorgt. Die Miete zahlt der deutsche Steuerzahler. Hinzu kommen noch diverse Auslandszuschläge. Kaliningrad wird als wenig lukrativer Standort in den Übersichten des Auswärtigen Amtes geführt, so dass das „Schmerzensgeld“, wie deutsche Diplomaten manchmal formulieren, entsprechend hoch ist.
 
Video: Feierlichkeiten im deutschen Generalkonsulat Kaliningrad
 
Neben den deutschen Beamten, die natürlich alle den Status eines Diplomaten, mit allen daraus resultierenden Vorteilen haben, gibt es noch eine, mir unbekannte Anzahl von Ortskräften. Eine beachtenswerte Struktur, die vielleicht durchaus begründet ist, wenn man wüsste, was das deutsche Generalkonsulat eigentlich tut. Aber alles ist in diesem Gebäude sehr geheimnisvoll und sowohl der Generalkonsul, wie auch die Mitarbeiter zeigen sich äußerst kontaktscheu, wie ich mich im Verlaufe der vergangenen Jahre überzeugen konnte.
 
Die fast 17 Jahre Anwesenheit des deutschen Generalkonsulats in Kaliningrad, setzte nicht immer die im Kaliningrader Gebiet anwesenden Deutschen in Begeisterung.
 
Video: Hotel Albertina – erste, nicht genehmigte Unterkunft des Generalkonsulats in Kaliningrad
 
Ein Deutscher spürte die Autorität des Generalkonsulats als erster, bereits im Jahre 2005. Das Generalkonsulat erklärte, dass es zukünftig selber staatshoheitliche Aufgaben wahrnehmen werde und verbot dem deutschen Unternehmer weiterhin Visa-Dienstleistungen zu erbringen, die dieser über Jahre erfolgreich organisiert und im Interesse der Kaliningrader Bürger durchgeführt hatte. Dieser stellte die Arbeit ein, verlor seine Einnahmequelle. Das Generalkonsulat selber stellte aber keine Visa aus, weil man organisatorisch dazu gar nicht in der Lage war, denn man logierte übergangsweise im Hotel Albertina, wozu man aber von der russischen Seite keinerlei Genehmigung eingeholt hatte. Der Aufenthalt war also illegal, wurde aber von Russland geduldet. Erst zwei Jahre später begann die deutsche Behörde mit der Wahrnehmung der Pflichten, die sie eigentlich als ihre Hauptaufgabe bezeichnete, also der Visavergabe.
 
Ein anderer Deutscher hatte Probleme mit russischen Behörden und dachte, dass das Generalkonsulat ihm helfen könne. Er wandte sich vertrauensvoll an den leitenden deutschen Beamten und dieser begann sofort öffentlichkeitswirksam das Problem zu klären. Im Ergebnis klärte das Generalkonsulat das Problem nicht und dem Deutschen ging es noch schlechter. Sein Problem wurde dann von anderen geklärt, die wussten, wie man sich in solchem Fall in Russland zu benehmen hat.
 
Nicht alle Mitarbeiter des Generalkonsulats zeigten Sympathien mit ihrem Gastland. Warum sie einem Einsatz in Russland trotzdem zustimmten, bleibt wohl deren Geheimnis. Eine Person – ich bleibe geschlechtsneutral, um nicht womöglich irgendwelche Persönlichkeitsrechte anzutasten, benahm sich so unmöglich, dass man sie bereits nach einem Jahr von der Funktion ablöste und nach Hause schickte. Ein Aufatmen ging durch Kaliningrad, aber auch durch das Generalkonsulat selber.
 
Es gab leitende Mitarbeiter des Generalkonsulats, die deutschen Unternehmern zu verstehen gaben, dass sie diejenigen sind, die Entscheidungen zu diesem oder jenem im Generalkonsulat fällen. Wenn man also mit oder durch das Generalkonsulat Geld verdienen will, so sollte das berücksichtigt werden. Damit auch richtig verstanden wurde, was gemeint war, wurde gegenüber einem Unternehmer geschildert, welche Möglichkeiten man auf einem Dienstposten im großen Amerika hatte. Logisch, dass das Gespräch unter vier Augen stattfand. Da der deutsche Unternehmer Prinzipien hatte, kam es zu keiner korrupten Zusammenarbeit und der deutsche Unternehmer wurde fortan gemobbt.
 
Es fanden im Rahmen lustiger Feierlichkeiten von Mitarbeitern des Generalkonsulats Gespräche statt, wo die wirtschaftliche und finanzielle Situation deutscher Staatsbürger in Kaliningrad erörtert wurde. Es stand der Vorschlag im Raum, dass man doch eine Anzeige bei russischen Steuerbehörden machen könnte, um zu prüfen, ob diese Deutschen wirklich so steuerehrlich sind, wie sie immer behaupteten. Deutsche Beamte wollten also deutsche Staatsbürger bei ausländischen Behörden anzeigen, wo doch deren Aufgabe eigentlich darin besteht, die Interessen deutscher Bürger im Ausland zu schützen. Die Diplomaten waren nicht betrunken, als sie sich dies ausdachten. Sie waren so nüchtern, dass sogar Berechnungen zur Einkommenssituation deutscher Bürger im Kaliningrader Gebiet angestellt worden sind. Man kam zu recht nüchternen Erkenntnissen.  
Man kann auch einfach im deutschen Generalkonsulat anrufen und den Verlust eines Passes melden. Die Meldung wird mündlich entgegengenommen und der Pass, entsprechend der deutschen Gesetzgebung, zur Fahndung ausgeschrieben. Ob der Pass wirklich verloren wurde oder sich nur jemand einen Scherz erlaubt, wird im Generalkonsulat nicht geprüft. Die Überraschung kommt dann an der Grenze, wenn man dem deutschen Grenzpolizisten seinen angeblich verlorenen Pass vorlegt. Interessant wäre zu wissen, was man den deutschen Beamten im Generalkonsulat Kaliningrad noch alles telefonisch erzählen kann und was diese unbesehen und unbewiesen glauben.
 
Bei russischen Behörden liegen Schriftstücke deutscher Bürger vor, wo diese mitteilen, dass Mitarbeiter des deutschen Generalkonsulats Deutsche vor dem Kontakt mit anderen Deutschen in Kaliningrad, die konkret namentlich genannt werden, warnen. Diplomaten im Generalkonsulat beschäftigen sich also mit der Diskreditierung von deutschen Staatsbürgern im Ausland. Sicherlich ein interessanter Fakt, wenn dies in Deutschland zur Anzeige gebracht wird.
 
Bekannt geworden ist aus der 16jährigen Arbeit des Generalkonsulats auch ein weiterer Versuch der Korruption. Eine Person des Generalkonsulats hatte Probleme mit dem PKW, welches natürlich ein Diplomaten-Kennzeichen trug. Um dieses Problem zu lösen, war die Hilfe russischer Behörden notwendig. Dort war man bereit schnell zu helfen, bat aber um die Lösung eines anderen Problems und das Problem wurde gelöst – allerdings unter Verletzung deutscher Gesetze und unter Missbrauch der dienstlichen Möglichkeiten. Durch, anscheinend ungünstige Umstände, wurde das korrupte Verhalten bekannt und die Person im Generalkonsulat abgemahnt. Sie verließ Kaliningrad nach Ablauf des Mindestaufenthaltes mit den Worten: „Gott sei Dank ist hier Schluss. Ich weine diesem Kaliningrad keine Träne nach.“
 
Auch Kaliningrad wird dieser Person keine Träne nachweinen, denn sie hatte ebenfalls eine sehr spezifische Auffassung zur Arbeit mit der russischen Bevölkerung gehabt. Diese sehr spezifische Meinung spiegelt sich in den Statistiken zur Visaerteilung des Auswärtigen Amtes wider. Ortskräfte berichteten darüber, wie sie eingewiesen worden sind, mit der Kaliningrader Bevölkerung so zu arbeiten, dass möglichst viele Visaanträge abgelehnt werden können. Ein klassisches Beispiel, wie deutsche Beamte russische Bürger bewusst diskreditieren. Mit meinem unjuristischen Sachverstand nenne ich dieses Verhalten Amtsmissbrauch.
 
Video: Verkehrsunfall durch Mitarbeiter des Generalkonsulats
 
Der Leiter des Sicherheitsdienstes des Generalkonsulats, ein Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes, verursachte einen Verkehrsunfall. Es war nichts Schlimmes, ein paar Kratzer an der Stoßstange, die für 8.000 Rubel, also rund 100 Euro, beseitigt werden konnten. Aber der deutsche Beamte beging Fahrerflucht und verließ, wenige Minuten später, sogar Russland – natürlich fluchtartig.
 
Video: Zollerklärung des deutschen Diplomaten
 
Der damalige deutsche Generalkonsul bemerkte erst 14 Tage später, dass sein Sicherheitschef fehlt. Ein russischer Journalist wollte ihn zum Vorfall befragen und der Generalkonsul zeigte sich vollständig uninformiert.
 
Video: Interview des deutschen Generalkonsuls
 
Einen absoluten Höhepunkt stellte der Auftritt des Totengräbers des Deutsch-Russischen Hauses, des Vizekonsuls Daniel Lissner dar, der am 28. August 2014 mit einer antirussischen Hassrede auftrat.
 
Video: Deutsch-Russisches Haus in Kaliningrad
 
Mit seiner Rede vor Russlanddeutschen wollte er wohl testen, ob sich die Russlanddeutschen im Kaliningrader Gebiet bei Bedarf als Fünfte Kolonne missbrauchen lassen. Der Test war negativ und Herr Daniel Lissner wurde gebeten, dass Land zu verlassen. Er tat dies und reiste nach Kiew, der Hauptstadt der Ukraine, wo er einen höheren Dienstposten erhielt. Eine merkwürdige Art der Bestrafung von Beamten, die ihre Pflichten als Diplomaten verletzen und sich in innere Angelegenheiten des Gastlandes einmischen.
 
Link zu Beitrag von „Kaliningrad-Domizil“ - http://kaliningrad-domizil.ru/portal/material/archiv--mit-deutschem-akzent/nato-vertretung-in-kaliningrad/
 
Noch während seines Aufenthaltes in Kaliningrad im Frühjahr 2014, reiste er in den Donbass, um sich einige Monate umzuschauen und zu berichten, was dort vor sich geht. Nach seiner, wohl etwas überstürzten Abreise aus dem Donbass, wo sich die Lage nicht so entwickelte, wie man es in Westeuropa erwartete, fand man in den Räumlichkeiten Schriftstücke, adressiert an NATO-Dienststellen.  Das legt die Vermutung nahe, dass der Mann Diener mehrerer Behörden war. Welchen deutschen Behörden Herr Lissner in Kaliningrad gedient hat, überlasse ich meiner stillen Phantasie.
 
Interessant ist auch, dass Herr Lissner regelmäßig den in Kaliningrad stattfindenden „Trefftisch Deutschsprachiger“ besuchte. Hauptamtlich war er im Generalkonsulat für die Kultur verantwortlich. Gehen wir also davon aus, dass sich Herr Lissner mit seiner Teilnahme am Trefftisch nur erholen und seiner Verantwortung als Kultur-Konsul nachkommen wollte und nicht auch noch andere deutsche Behörden über das gesellschaftliche Ereignis in Kaliningrad informiert hat. Was für ein Skandal, wenn sich herausstellen würde, dass deutsche Dienststellen, deutsche Staatsbürger im Ausland bespitzeln.
 
Foto: Daniel Lissner besucht Trefftisch Deutschsprachiger in Kaliningrad
 
Was aber tut das deutsche Generalkonsulat, außer der regelmäßigen Produktion von Skandalen?
 
Erinnern wir uns, dass die Hauptaufgabe des Generalkonsulats darin besteht, Visa auszustellen.
Zwei Jahre hat man gebraucht, um die Visabereitschaft herzustellen. Man mietete Räumlichkeiten in der ul. Leningradskaja an und begann dort die Arbeit zu organisieren. 2007 war die Visaabteilung arbeitsbereit.
 
Video: Deutsches Generalkonsulat in Kaliningrad ul. Leningradskaja
 
Erinnert sei daran, dass man sich bereits im Jahre 2004/2005 intensiv um ein ständiges Gebäude für das Generalkonsulat bemüht hatte. Deutsche im Kaliningrader Gebiet wurden gebeten, das Generalkonsulat bei der Suche zu unterstützen. Letztendlich wurde ein historisches Gebäude in der Thälmannstraße gefunden. Allerdings war der vermittelnde Deutsche sehr naiv, als er an die Ehrlichkeit der deutschen Beamten im Ausland glaubte, denn nachdem der russische Präsident Putin im Mai 2005 in Kaliningrad, im Beisein des Bundeskanzlers Schröder und des französischen Präsidenten Jacques Chirac zum Gebäude des deutschen Generalkonsulats beglückwünscht hatte, erinnerten sich die damaligen Verantwortlichen im Generalkonsulat nicht mehr an die Dienstleistungen des Deutschen. So sparte der deutsche Staat, also der deutsche Steuerzahler, die Maklerprovision. Bei einem späteren Gespräch mit einem leitenden Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, an dem ein Zeuge des Generalkonsulates teilnahm, empfahl dieser, den deutschen Staat zu verklagen. Der Deutsche verklagte den deutschen Staat nicht.
 
Dafür benötigte der deutsche Staat dann rund zehn Jahre, um die kleine Villa für die Bedürfnisse des Generalkonsulates herzurichten – natürlich mit Baumängeln. Die Kosten waren enorm. Gerüchte besagen, dass ein zweistelliger Millionenbetrag aufgewendet worden ist – aber das sind Gerüchte.
 
Video: Umzug des deutschen Generalkonsulats
 
Nach der Fertigstellung und dem Umzug des Generalkonsulats in die neuen Räumlichkeiten, die nach den Planungen des Architekten bessere Arbeitsbedingungen für die Visaabteilung bringen sollten, stellte man fest, dass die Räumlichkeiten der Visaabteilung kleiner waren, als im angemieteten Gebäude in der Leningradskaja. Eine mehr als peinliche Angelegenheit. Man versuchte durch die Rückanmietung von Räumlichkeiten in der Leningradskaja aus dieser verzwickten Lage herauszukommen. Der Vermieter hatte aber schon anders disponiert und die Räumlichkeiten standen nicht mehr zur Verfügung.
 
Video: Visazentrum Litowski Wal
 
Ein Ausweg aus der Lage war schnell gefunden. Man beauftragte einen externen Visaservice, staatshoheitliche Aufgaben wahrzunehmen.
 
Erinnern Sie sich noch an meine anfänglichen Schilderungen, wonach die Visabearbeitung eine staatshoheitliche Aufgabe ist? Mit dieser Begründung wurde 2005 einem deutschen Unternehmer seine unternehmerische Tätigkeit in Kaliningrad beschnitten.
 
Mit der Auslagerung des Visaservice verteuerte sich der Preis für ein Visum für die russischen Bürger um 100 Prozent. Man nahm es demütig hin in Kaliningrad, denn immerhin konnte man ins gelobte deutsche Land reisen.
 
Der Personalbestand des Generalkonsulats wurde nicht verringert, so dass man sich die Frage stellt, was machen die Beamten jetzt den ganzen Tag im Generalkonsulat, außer auf Kosten des deutschen Steuerzahlers Anwesenheit zu demonstrieren?
 
Sie verstehen sicherlich, meine lieben Zuschauer, dass ich der deutschen Behörde sehr kritisch gegenüberstehe. Ich habe daraus nie ein Geheimnis gemacht. So, wie die Bundesrepublik Deutschland bis 1990 den kritischen Bürgern der DDR Beifall geklatscht und diese in ihrer kritischen Haltung unterstützt hat, so hoffe ich, dass mir meine kritische Haltung zur Bundesrepublik Deutschland jetzt nicht zum Nachteil gereicht – gleiches Recht für alle.
 
Und kommen wir nun zum hüpfenden Komma, wie Heinz Erhardt einmal so lustig sagte.
 
Vor einigen Monaten hatte ich der Agentur „Sputnik“ ein Interview gegeben, welches, aus mir unbekannten Gründen, in Polen veröffentlicht wurde. Dort wurde ich nach der Germanisierung befragt, ob diese wirklich existiert und wer denn diesen Prozess organisiert.
 
Gestatten Sie mir zum Abschluss aus dem Interview zu zitieren:
 
Frage Sputnik: Bewohner Kaliningrads schreiben in den Sozialmedien, dass sie keine Germanisierung und keine Verbreitung der Königsberger Identität sehen. Was glauben Sie selber?
 
Antwort Niemeier: Ja, es gibt viele Kaliningrader, die schreiben, dass sie keine Germanisierung und keine „Königsberger Identität“ sehen. Aber wer sind denn diese Kaliningrader? Schauen Sie mal in deren Facebook-Profil und sie sehen häufig, dass dort als Wohnort „Königsberg“ steht.
Leider ist es so, dass die Kaliningrader Patrioten still in ihrem Kämmerchen zu Hause sitzen und sich nicht zu Wort melden. Die „Königsberger“ zeigen hier eine andere Mentalität. Es ist völlig klar zu sehen, welche gesellschaftliche Gruppe besser organisiert ist. Es gibt kein wirkliches aktives Gegengewicht zu denen, die in Fußballstadien „Königsberg, Königsberg, Königsberg“ rufen. Wo war die Gruppe damals, die mit doppelter Lautstärke hätte rufen müssen „Kalitsch, Kalitsch, Kalitsch“?
Vermutlich ist die „Königsberger“ Bevölkerung in Kaliningrad zahlenmäßig relativ gering – vier Prozent? Aber schauen wir doch mal auf die „Bunten Revolutionen“ der letzten Jahre. Es ist immer nur eine kleine Gruppe von Menschen gewesen, die ein ganzes Land zum Sturz gebracht hat. Wenn man in Russland glaubt, dass mit der Verhaftung, Verurteilung und Inhaftierung der BARS-Extremisten das Thema der Germanisierung oder der Königsberger Identität gelöst ist, so irrt man sich. Man hat nur eine Metastase entfernt. Das Geschwür selber wuchert nach wie vor und man weiß genau, wo dieses Geschwür sitzt, traut sich aber nicht, es zu entfernen.
 
Frage Sputnik: Und wo befindet sich das Geschwür?
Antwort Niemeier: Ich meine, das Geschwür befindet sich im Zentrum Kaliningrads, dort, wo das deutsche Generalkonsulat arbeitet.
 
Lese ich mir diese Zeilen heute nochmals durch, so habe ich keinen Anlass, irgendetwas zu korrigieren.
 
Bleibt mir nur noch, mich an die Worte von Ronald Reagan in Berlin im Jahre 1987 zu erinnern, wo er mit Blick auf die Mauer rief:
 
Video: Reagan in Berlin
 
Und ich möchte, mit Blick auf das Generalkonsulat rufen: Mr. Mass, schließen Sie die Tür des Generalkonsulats.
 
Video: Niemeier vor Generalkonsulat
 
 
 
Reklame

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