Ereignisse zum Nachdenken – Russland in den vergangenen 72 Stunden


Es gibt nichts wirklich Sensationelles aus Russland zu berichten. Insgesamt erhält der aufmerksame Medienkonsument in Ost und West den Eindruck, als ob die russophobe und nichtrussophobe Welt beginnt, sich auf die eigenen, immer größer werdenden Probleme, zu konzentrieren. Auch Russland denkt über die Lösung seiner Probleme nach.
Ein Problem, welches der russische Präsident hat, ist das ständige Fehlen von Zeit, um all die Dinge zu erledigen, die eigentlich erledigt werden müssten.
So ist er eigentlich verpflichtet, jährlich seine Botschaft an das russische Volk zu senden. Dieses Jahr neigt sich dem Ende und ein Termin steht noch nicht fest. Die russophoben Medien informieren, dass Putin Angst hat, denn er weiß nicht, was er seinem Volk vermitteln soll, alles sieht sehr trübe aus und mit Russland gehe es abwärts.
In diesem Jahr buchen die Moskauer wieder aktiver Restaurantplätze für die Silvesternacht. Insbesondere die teuren Restaurants der Premiumklasse sind schon vollständig ausgebucht – berichten russische Medien. Alle anderen Restaurants haben Mitte Dezember einen Reservierungsstand von 70-90 Prozent.
Die Jahrespressekonferenz, vom Westen immer gerne als russische Propaganda zur Selbstdarstellung des Präsidenten bezeichnet, findet in diesem Jahr auch nicht statt. Das passt den russophoben Staaten anscheinend auch nicht, denn jetzt kritisieren sie, dass die Pressekonferenz nicht stattfindet. Sollen sie doch froh sein, dass endlich diese Propaganda-Show mal nicht stattfindet. Nein, sie suchen nach Ursachen und meinen, dass Putin Angst habe … bla, bla, bla. Es ist das gleiche Bla, Bla, Bla, wie wir es schon seit Jahrzehnten zu Putins Gesundheitszustand hören – und dann sehen wir bei ARD oder ZDF diesen todkranken Putin fast im Laufschritt von Treffen zu Treffen laufen, oder er springt förmlich auf die Bühne im großen Kreml-Saal.
Aber letztendlich steht doch die Frage: Was macht denn Putin so den lieben langen Tag, wenn er für derartig wichtige Ereignisse keine Zeit hat. Anscheinend, so meine Logik, gibt es noch Wichtigeres und deshalb müssen diese wichtigen, aber weniger wichtigen Ereignisse, eben Platz machen.
So erfuhren wir Ende der vergangenen Woche, dass Putin sich einen ganzen Tag, konkret am 16. Dezember, im Stab der vereinten Teilstreitkräfte für die Militäroperation in der Ukraine aufgehalten hat. Wo dieser Stab sich befindet, wurde natürlich nicht berichtet. Die wenigen Bilder die es gab, waren sehr sorgfältig videotechnisch bearbeitet, insbesondere, wenn irgendjemand ein Blatt Papier in Händen hielt oder auf Bildschirmen etwas anderes zu sehen war, als der russische Doppeladler.
Der Gouverneur des Kaliningrader Gebietes Anton Alichanow fürchtet weitere Entscheidungen der litauischen Regierung zum vollständigen Transitverbot für russische Staatsbürger. Er antwortete damit auf die Frage von Journalisten und erinnerte daran, dass bereits jetzt umfangreiche Verbote für Transporte von Waren im Rahmen der EU-Sanktionspolitik wirken. Kaliningrad arbeite gegenwärtig an der Einrichtung von PKW- und Passagierfähren zwischen Russland und Russland.
Putin habe intensiv mit all denen gesprochen und all denen zugehört, die die Verantwortung vor Ort für die einzelnen Operationsrichtungen tragen. Namen wurden nicht genannt. Alle Verantwortlichen haben Putin Einsatzvorschläge unterbreitet – so wie sie die kurz- und mittelfristig zu lösenden Aufgaben in ihrem Verantwortungsbereich sehen. Putin führte sowohl eine Besprechung mit „Allen“ durch, sprach aber mit vielen Kommandierenden auch individuell und wohl sehr ausführlich.
Nach diesem Treffen kann wohl niemand mehr behaupten, dass Putin nicht im Bilde ist, dass irgendjemand versucht, ihn von der Realität zu isolieren.
Die Fotos und Videos zeigten, dass an dem Treffen natürlich auch der Verteidigungsminister Schoigu und der Generalstabschef Gerassimow teilgenommen haben. Nichts deutete darauf hin, dass Armeegeneral Gerassimow sich darauf vorbereitet, seinen Gefechtsstand zu räumen – so wie es in den Medien bereits gemunkelt wurde.
Litauen hat die Prozedur für die Erlangung aller notwendigen Transitdokumente für russische Bürger auf das maximal höchste Maß erschwert. Für Personen, die mit dem PKW das Land im Transit durchreisen wollen, bestehe praktisch keine Möglichkeit mehr. Im Transit darf nur aus familiären und arbeitsvertraglichen Gründen gereist werden. Die Transitanträge sind einen Monat im voraus zu stellen.
Soweit, so gut. Man könnte diese Meldung schnell wieder vergessen, wenn nicht einen Tag später eine andere, wiederum kleine, unscheinbare Mitteilung, erschienen wäre.
Der russische Verteidigungsminister Schoigu besuchte die Truppen im Militärbezirk SÜD. Er war direkt an der vordersten Linie – nun, vermutlich nicht im ersten Graben, aber doch ziemlich weit vorne. Er verschaffte sich einen Überblick per Hubschrauber, über die Truppen und deren Dislozierung.
Etwas unklar ist mir allerdings, was man jetzt in Russland unter Militärbezirk SÜD versteht – insbesondere, nachdem die Regionen Saporosh und Cherson ja der neue Süden Russlands sind. War Schoigu nun dort oder war er an der Nordgrenze der Ukraine zu Russland, also der Südgrenze Russlands zur Ukraine.
In Weißrussland wurde durch die Abgeordneten ein Gesetz beschlossen, welche die Aberkennung der durch Geburt erworbenen Staatsbürgerschaft vorsieht, wenn die betroffene Person des Extremismus und landesfeindlicher Handlungen für schuldig befunden worden ist. Ähnliche Regelungen wurden bereits für die Bürger beschlossen, die die Staatsbürgerschaft auf Antrag erhalten haben. Denjenigen, denen die Staatsbürgerschaft entzogen wird, können auch gleichzeitig mit einem Einreiseverbot von bis zu 30 Jahren belegt werden.
Schoigu führte während seiner Truppeninspektion das Gleiche durch, was Putin einen Tag vorher gemacht hat. Treffen mit Kommandierenden, mit Kommandeuren, mit Truppen. Er verwies auf die Wichtigkeit der materiell-technischen und medizinische Versorgung der Truppen.
Am Sonntag erschien noch eine weitere Information, mal so schnell nebenbei eingeworfen, wonach im April durch die ukrainische Armee geplant war, den Besuch des russischen Generalstabschefs Gerassimow an der Front zu nutzen, um diesen zu ermorden. Die Amerikaner haben in letzter Minute davon erfahren und dies wohl verhindert – bestimmt nicht aus Menschenfreundlichkeit … Da Schoigu nun schon wieder aus dem Kampfgebiet abgereist ist, kann man nur hoffen, dass erst gar keine Gedanken aufgekommen sind, auch Schoigu zu beseitigen.
Die Aktivitäten von Putin und Schoigu wurden begleitet mit anderen Medieninformationen. Kurz, knapp, manchmal sogar mit Mini-Videos. So erfuhr der interessierte Leser, dass das erste Regiment „Avangard“ nun gefechtsbereit ist. Man sah, wie die riesigen Hyperschallraketen, die mit einer Geschwindigkeit von 32.000 km/h fliegen können, in die Schächte versenkt wurden. Drei Varianten gibt es davon: Schachtvariante, mobile Variante und U-Boot-Variante. Seit 17. Dezember ist das erste Regiment gefechtsbereit. Bis Ende des Jahres – es verbleiben ja nur noch wenige Tage, werden 86 % aller russischen Truppen derartige oder ähnlich moderne Raketenkomplexe erhalten. Es ist also viel Bewegung auf diesem Gebiet und von Produktionsschwierigkeiten für die Landesverteidigung kann man wohl nicht unbedingt sprechen.
Der polnische Sejm hat Russland als „Terror-Sponsor-Staat“ eingestuft. In einem entsprechenden Erlass wird Russland des Terrors und Kriegsverbrechen beschuldigt. Weiter beschuldigt Polen Russland des Genozids und feindlicher wirtschaftlicher Handlungen. Weitere Anschuldigungen lauten auf Folter, Massenmord, erzwungene Russifizierung und Zerstörung der zivilen Infrastruktur in der Ukraine. Fast die Hälfte der polnischen Abgeordneten hat an der Abstimmung nicht teilgenommen.
Der Konsument russischer Medien stellt sich natürlich die Frage, was das alles zu bedeuten hat. Und im Westen glaubt Stoltenberg, der natürlich auch die russischen Medien liest, dies zu wissen. Er meint, dass Russland sich auf einen langen Konflikt mit der Ukraine vorbereite. Putin habe immer noch nicht verstanden, dass er nicht siegen wird, denn der Westen wird alles, was nicht niet- und nagelfest ist, der Ukraine liefern. Aber er warnte auch davor, Russland zu unterschätzen. Putin bereite gegenwärtig neue Angriffe vor.
Stoltenberg irrt sich hier ein wenig in seinen Formulierungen. Russland bereitet sich nicht auf einen langen Konflikt mit der Ukraine vor. Putin bereitet das Land auf einen langen Konflikt mit der NATO vor, indirekt oder direkt, wird die Zukunft zeigen.
Polen will seine Grenze weiter ausbauen, um Massenfluchten von Ausländern über das Kaliningrader Gebiet zu verhindern. Der Kaliningrader Gouverneur Anton Alichanow machte den Polen den Vorschlag, hierfür notwendiges Baumaterial in Kaliningrad einzukaufen. Man habe große Produzenten in Kaliningrad, die bereit sind, den Polen kurzfristig zu helfen. Wenn Polen größere Mengen Baumaterial abnehme, versprach der Gouverneur auch Preisnachlässe, allerdings keine großen.
Anscheinend ist der CIA-Chef zu ähnlichen Erkenntnissen gekommen, denn er sieht keinerlei Anzeichen dafür, dass Russland sich auf irgendwelche Gespräche vorbereite. Die Äußerungen, dass Moskau ständig für Gespräche bereit sei, scheint der CIA-Chef nicht ernst zu nehmen. Aber ein Land, dessen militärische Möglichkeiten sich dem Ende neigen – wie die westlichen Medien immer wieder informieren, müsste doch irgendwelche Signale senden … aber Russland sendet nur Raketen … die ja eigentlich auch knapp sein sollen.
Selenski selber ist aber auch nicht bereit für irgendwelche Gespräche, informieren russische Medien. Er wisse nicht, was er mit Putin besprechen soll. Irgendwelche Leute aus seiner Umgebung oder aus den westlichen Sponsor-Staaten drängen ihn, Gespräche mit Russland aufzunehmen, aber er sehe darin keinen Sinn. Er sieht auch keinen Sinn darin, dass sich der französische Präsident Makron als Vermittler einbringt.
Somit setzt also jede Seite die Politik fort, die vermeintlich zielführend sein soll.
Die Ukraine erhält weiter westliche Militärausrüstungen, um die sich Russland Sorgen macht, auf die Russland aber nicht wirklich Einfluss nimmt, denn es werden keine Eisenbahnlinien, keine Nachschubstraßen, keine Eisenbahntunnel, keine grenznahen Rangierbahnhöfe zerstört. Auch die sieben Dnepr-Brücken werden nicht zerstört. Dies würde – so meine Meinung – ziemlich schnell Ruhe in die Kampfhandlungen im Osten bringen, denn der ukrainische Nachschub würde zusammenbrechen.
Russische Medien berichten über massenhafte Klageeinreichungen von Vermietern kommerzieller Immobilien gegen die Firma H&M. Die Firma, die Russland verlassen hat, hinterlässt Mietschulden in Höhe von mehr als einer Milliarde Rubel, rund 15 Mio. Euro. Im Rahmen einer großen Ausverkaufsaktion habe die Firma, ungeachtet der eingefahrenen Gewinne, keine Miete bezahlt. Bisher ist es gelungen 215 Mio. Rubel auf den Konten der Firma zu beschlagnahmen. Den Verpflichtungen gegenüber den Mitarbeitern scheint das Unternehmen jedoch nachzukommen.
Und die USA sind besorgt, dass die militärische Partnerschaft zwischen Russland und dem Iran sich entwickelt. Es bleibt abzuwarten, ob die USA gegenüber Russland und dem Iran genau so rücksichtsvoll sind, wie Russland dies gegenüber allen NATO-Staaten ist, die die Zusammenarbeit mit der Ukraine intensiv vorantreiben.
Interessant ist auch, dass es jetzt eine Menge Interviews von Militärs, Geheimdienstleuten und Politikern im Westen gibt – man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als ob hier Signale gesendet werden – wobei wir nun schon wieder beim Ausgangssatz dieses Beitrages von mir gelandet sind – die Länder der Welt spüren, dass die Situation beginnt, außer Kontrolle zu geraten.
Der Chef des britischen Generalstabs scheint dies auch zu spüren und meinte, dass er mit seinem russischen Kollegen Gerassimow vereinbart habe, Kontakte zu halten und darüber kein öffentliches Wort zu verlieren. Er kenne Gerassimow noch aus Zeiten vor dem Ukrainekonflikt, habe Moskau besucht und ist einer der ganz wenigen britischen Entscheider, die nicht mit russischen Sanktionen belegt worden sind – er bleibe also Gesprächspartner für Russland und kann sogar dorthin reisen – wenn nötig.
Bleibt mir somit nur noch den russischen Botschafter in den USA zu zitieren – dem Land, welches wohl das ganze gegenwärtige und vielleicht auch zukünftige Elend zu verantworten hat.
Anatoli Antonow meint, dass die USA gegenwärtig dabei sind, ihren Selbsterhaltungsinstinkt zu ignorieren. Die Welt befinde sich am Anfang eines langen und schwierigen Weges der Neufindung, der Organisation einer multipolaren Welt. Russland wird dafür eintreten, dass alle Länder dieser Welt eine Stimme haben und diese auch gehört wird. Die USA haben nicht die Absicht, an diesem Prozess teilzunehmen. Man ignoriere in Washington alle Hinweise und Meinungen, die andere überbringen.
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Sie sahen einen Beitrag von „Baltische Welle“. Vielen Dank für Ihr Interesse. Tschüss und Poka aus Kaliningrad.
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