Gesichtswahrende Gas-Alternativen für Westeuropa

Gesichtswahrende Gas-Alternativen für Westeuropa
 
Russland hat immer noch nicht die Hoffnung aufgegeben, mit Westeuropa eine friedliche Koexistenz einzugehen. Putin hatte schon vor Jahren im Umgang mit dem Westen Pragmatismus gefordert. Eine Erscheinungsform dieses Pragmatismus ist anscheinend der geplante Gas-HUB in der Türkei.
 
 
Die Vorstellung, dass jeder Deutsche eine eigene Direkt-Bierleitung, ähnlich wie eine Wasserleitung, von der Brauerei bis in seine Küche hat, ist mehr als theoretisch. Es wäre zwar bequem und der Bierverbrauch würde auch sprunghaft ansteigen, aber diese Vorstellung ist doch nicht realitätsnah. Es würde auch die Frage stehen, wer denn diese Leitung von der Brauerei bis in die Wohnung von Paul Schulze bezahlt, wer für Instandsetzung, Wartung und Pflege verantwortlich ist und natürlich würde dies alles einen gewissen Niederschlag in der Preiskalkulation für das Bier finden. Der Deutsche ist es gewohnt in den Supermarkt zu gehen, dort sein Bier einzukaufen, nach Hause zu fahren und das war es. Bier ist eben Bier und nicht das Wasser, was man noch, bis vor gar nicht allzu langer Zeit, auch von der Pumpe holte, die vor dem Haus stand.
 
Beim Gas ist das alles anders – zumindest bisher. Da wurden Gasleitungen gebaut, die dann in die Luft gesprengt worden. Wenn sie nicht in die Luft gesprengt wurden, wurden sie angebohrt, um Gas zu stehlen. Gasspeicher wurden gebaut, die dann enteignet worden - insgesamt ein sehr anfälliges System, wie die heutige Zeit zeigt. Ob sich das alles zukünftig noch lohnt, wage ich zu bezweifeln. Als Kind habe ich jeden Samstag mit einer Milchkanne den Wochenbedarf meiner Eltern an Milch aus dem Milchladen abgeholt und diese haben den Liter Milch im Eisschrank gelagert. Ähnliche Tendenzen könnte ich mir für andere Produkte, also z.B. Gas, zukünftig auch wieder vorstellen, wenn das gesamte globalisierte Wirtschaftssystem zusammenbricht.
 
Für das Gasgeschäft sucht man gegenwärtig nach Alternativen in Russland und die HUB-Logistik ist groß in Mode gekommen. Der erste Testfall für die Effektivität und Notwendigkeit ist der Vorschlag des russischen Präsidenten, so einen HUB in der Türkei zu bauen. Die Türkei selber wird bereits ausreichend über die sogenannte Türkenlinie versorgt – wenn sie so wollen könnte man diese Linie auch mit der Nordstream-1 vergleichen. Nun schlägt Russland, entlang dieser türkischen Nordstream-1, eine türkische Nordstream-2 vor, die in einem riesigen Lager in der Türkei enden soll. Dorthin wird russisches Gas gepumpt und von dort kann dann derjenige, der Gas braucht, sich dieses abholen. Natürlich denkt Russland an die Abnehmerländer der Europäischen Union, die sehr bald feststellen werden, dass, wenn sie ihr Verhältnis zu Russland nicht normalisieren, sie vor dem wirtschaftlichen Kollaps stehen bzw. hineingeraten.
 
Insgesamt ist diese Idee ein sehr kluger Schachzug des russischen Präsidenten – wenn er denn umgesetzt wird. Alle bisherigen Signale aus Russland und der Türkei deuten aber daraufhin, dass dieser HUB gebaut wird.
 
Russland bindet mit diesem HUB die Türkei weiter an sich und die Türkei wird dankbar sein, über die HUB-Idee riesige finanzielle Einnahmen zu haben, denn die Abnehmerländer müssen natürlich für diesen HUB-Service zahlen. Das Gas wird somit teurer als vor der Kriegserklärung der Europäischen Union an Russland, aber nicht so teuer, wie es jetzt ist.
 
 
Die Idee scheint die zu sein, dass der HUB Eigentum der Türkei ist. Diese kauft Gas aus Russland, lagert es dort ein und verkauft es weiter an europäische Abnehmer. Die Türkei ist also nicht nur Transitdienstleister, wie bisher, sondern qualifiziert sich auch als Zwischenhändler.
 
Es gibt also auch noch einen subjektiven Vorteil. Der Westen, der zukünftig Gas aus diesem HUB kauft, kann so tun, als ob man nicht wüsste, dass dies russisches Gas ist – also das berühmte Pfeifen im Wald. Das Gas trifft im HUB ein, türkische Firmen kaufen dort Gas und verkaufen dies dann wiederum an europäische Abnehmer. Die perfekte gesichtswahrende Tarnung für die „Endlösung“ des europäischen Energieproblems. Die Türkei heizt Europa ein.
 
Ein weiterer Vorteil für Russland besteht darin, dass man in keinerlei Logistik auf Fremdterritorium mehr investieren muss, die vielleicht durch irgendjemanden dann wieder gesprengt wird. Die Türken bauen ihren HUB, vielleicht gibt Russland dazu einen Kredit. Die Leitung von Russland zur Türkei im Schwarzen Meer … ja, da müsste man drüber reden, wer da der Eigentümer wird und die Verantwortung trägt. Und wenn ein westeuropäischer Kunde aus dem Türken-HUB Gas kaufen will, kann er sich seine Leitung selber dorthin legen ... oder einmal in der Woche mit der Milchkanne … na, Sie verstehen schon meine lieben Leser und Zuschauer.
 
Und genau das ist das Problem. Wollen die Europäer überhaupt dieses gesichtswahrende Spielchen mitspielen? Wenn nicht, dann wären diese ganzen Investitionen, egal wer sie denn bezahlt oder finanziert oder kreditiert, rausgeworfenes Geld.
 
Aber wenn dieser HUB gebaut wird, besteht natürlich durchaus auch die Gefahr, dass die dann entstehende, wichtige, exklusive, Rolle der Türkei, eben dieser zu Kopfe steigt. Es wäre gut, wenn eine Alternative, ein Wettbewerbspartner, ein Konkurrent, geschaffen würde, damit keine unipolare Gasversorgung Europas erfolgt.
 
Sie ahnen es sicherlich schon, meine lieben Leser und Zuschauer. Ich denke mal wieder an Kaliningrad als HUB-West für russische Gaslieferungen. Irgendeine technische Lösung mit den Resten der Nordstream-Leitungen 1 und 2 muss es doch geben? Man schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen wird die russische Region Kaliningrad permanent mit Gas aus Russland versorgt und die jetzigen Tankschiffe, die vor Kaliningrad auf Reede liegen, sind nicht mehr nötig. Und zum zweiten könnte Kaliningrad die gleiche Rolle spielen, wie der HUB in der Türkei: Der eine liefert vom Süden, der andere vom Westen, oder auch Norden …  Sollte also die Türkei ihre Monopolstellung als Gaslieferant für Westeuropa ausnutzen wollen, würde sofort eine Alternative zur Eindämmung der türkischen Übermütigkeit zur Verfügung stehen.
 
Es scheint so, als ob es auch zukünftig Möglichkeiten geben wird, pragmatisch mit Russland zusammenzuarbeiten. Man kann es aber auch sein lassen.
 
Sie sahen einen Beitrag von „Baltische Welle“. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, Tschüss und Poka aus Kaliningrad

 

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Kommentare ( 4 )

  • Bastian Радебергер Radeberger

    Veröffentlicht: 30. Oktober 2022 18:18 pm

    Ach Uwe, ein schönes Mützchen haben Sie. Aber wie soll das mit dem Hub in KG funktionieren. Das Gas kommt in der Pipeline in den Hub nach KG und dann . . . mit der Milchkanne weiter? Von den angrenzenden Natoländern wird es wohl keine weiterführende Pipeline, schon gar nicht durch Polen geben. Also eine Verdichterstation und das Flüssiggas per Schiff dann weiter? Welche unterwürfige US - gehorsame Natoregierung würde gegen den Willen des Hausherren des weiß angestrichenen Hauses in Übersee sich das erlauben?
    Da müßte es erst wieder Politiker in Europa geben, die im Interesse des eigenen Landes wider den Stachel lökt. Das ist doch mit dem derzeitigen Pfeifenorchester in der EU nicht zu machen.

    • Uwe Erich Niemeier

      Veröffentlicht: 30. Oktober 2022 18:57

      ... das ist kein Mützchen, das ist eine Kartus. Und die trage ich nun schon einige Wochen. Irgendwas muss man ja für sein Image tun.

      Ansonsten gehe ich davon aus, dass der Bau dieses HUB bestimmt zwei Jahre dauern wird. In diesen zwei Jahren kann viel passieren - positives oder negatives ... es kann auch sein, dass kein HUB mehr benötigt wird, weder in Europa noch sonst wo auf dieser Welt. Aber bleiben wir optimistisch ... zumindest ein klein wenig.

  • Bastian Радебергер Radeberger

    Veröffentlicht: 30. Oktober 2022 18:22 pm

    "Der Westen, der zukünftig Gas aus diesem HUB kauft, kann so tun, als ob man nicht wüsste, dass dies russisches Gas ist . . . "
    Der Gedanke ist gar nicht abwegig, da die Türken derzeit mit der Förderung eigenen Erdgases aus dem vor der Türkei liegenden Mittelmeergasfeldes beginnt. Wer will das untersuchen, wie blau die Gasflamme ist.

  • Anton Amler

    Veröffentlicht: 31. Oktober 2022 10:49 pm

    Wenn es Deutschland gelungen ist, U-Boote in Sektionen, kombiniert auf Land- und Flußwegen, ins Schwarze Meer zu verlegen, so werden die speichelleckenden Nato-anrainer den Amis ganz sicher den Bau von pipelinezerstörenden Vehikeln ermöglichen, die sie vermutlich über den Bosporus nicht einbringen könnten
    Türkenlinien dürften langfristig so sicher sein, wie Nord-Stream.
    Laßt doch den Westen, zu mit Sicherheit deutlich höheren Preisen, in eine erneute, wahrscheinlich noch schlechter beherrschbare Abhängigkeit gehen!!!
    Deutschland hat bei dem Bau der umweltfreundlichsten Gasanschlußstelle viel mehr Geld nutzlos verbraten, als eine bundesweit gültige Fahrkarte für Jedermann kosten könnte.
    Wir schaffen das!

  • Bastian Радебергер Radeberger

    Veröffentlicht: 2. November 2022 01:41 pm

    "Die Vorstellung, dass jeder Deutsche eine eigene Direkt-Bierleitung, ähnlich wie eine Wasserleitung, von der Brauerei bis in seine Küche hat, ist mehr als theoretisch."

    Bierleitungen müssen penibel sauber gehalten werden, sonst wird die Brühe sauer. Schmeckt ekelig.

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