Gespräche in der Sauna: Verteidigungsministerium fordert Demilitarisierung Kaliningrads


Gespräche in einer russischen Sauna sind vermutlich zu vergleichen mit Gesprächen an einem deutschen Stammtisch. Während der Russe deutsches Bier kennt, kennen nur wenige Deutsche eine russische Sauna. Ich möchte Sie an den Gesprächen teilhaben lassen, die dort jeden Morgen, mehr oder weniger hitzig, geführt werden.
Es gab am Wochenanfang kein heißeres Thema, als die, vom Verteidigungsministerium angekündigte und von den russischen Medien verbreite Meldung, zur Entmilitarisierung Kaliningrads. Zum Glück war die Atmosphäre im Fitnessclub Albatros in Kaliningrad ziemlich abgekühlt, denn die finnische Sauna, die unser kleines Kollektiv jeden Tag bei 80-90Grad Hitze nutzt, wurde geschlossen. Wir vermuteten Antwortsanktionen des Kaliningrader Fitnessclubs auf die Beitrittsabsichten Finnlands zur NATO. Ersatzweise schlug man uns vor, die etwas kühlere türkische Dampf-Sauna zu besuchen. Eine gute Alternative, meinten wir, denn die Türkei hat ein neutrales, gut temperiertes Verhältnis zu Russland und ist gegen den Beitritt Finnlands zur NATO. Wir nutzten also das Angebot und wechselten in die türkische Sauna.
Unser Liberalissimus hatte am Wochenende die Nachrichten nicht verfolgt und war sprachlos, als er hörte, dass Kaliningrad demilitarisiert werden soll. Und ausgerechnet das Verteidigungsministerium soll dies vorgeschlagen haben. Wir genossen die Situation seiner Ratlosigkeit und informierten ihn dann, dass nicht das russische, sondern das polnische Verteidigungsministerium diesen Vorschlag gemacht hat. Eigentlich war es aber mehr eine Forderung, die der ehemalige stellvertretende polnische Verteidigungsminister Scheremetjew vorgebracht hatte.
In unserem weiteren Gespräch erinnerte ich an Äußerungen eines US-Generals, der Kaliningrad vor ungefähr zwei Jahren als „Dolch im Fleische der NATO“ bezeichnete. „Aha“, meinte ein Sauna-Genosse, der ein bekannter Mediziner in Kaliningrad ist, „die wollen also Selbstmord begehen.“ Und er erklärte, wenn man einen Fremdkörper, also zum Beispiel einen Dolch, unfachmännisch entfernt, der Patient verbluten kann. Man sollte also schon Spezialisten beauftragen, die die Operation fachmännisch vornehmen. Aber da die NATO selber den Dolch entfernen will, der im Fleische der NATO sitzt, ist klar, dass es sich bei der NATO um einen Selbstmordkandidaten handelt, wenn die „Operation Kaliningrad“ durchgeführt wird.
Eine beeindruckende Logik fanden wir alle – naja, fast alle.
Der polnische exMilitär, der wohl bei dieser Operation hofft als Assistenzarzt eingesetzt zu werden, spekuliert vermutlich auf die Stelle eines Oberarztes nach erfolgreicher Operation. Er kommentierte, dass mit dem Beitritt von Schweden und Finnland zur NATO, unbedingt dieses Kaliningrad-Problem gelöst werden muss, denn die östliche Flanke der NATO ist nicht ausreichend geschützt. Man fühle sich jetzt wie auf einem Pulverfass zwischen den Beinen. Und wenn das Pulverfass oder der „Dolch Kaliningrad“ entfernt ist – so der Militärspezialist – wird die Ostsee zu einem Meer der NATO.
Mir kam dabei in den Sinn, dass man praktischerweise dieses Wässerchen dann in NATO-See umbenennen könnte und die Stadt Kaliningrad, die der Pole auch umbenennen will, könnte dann NATOberg oder KönigsNATO heißen.
Der Kaliningrader Gouverneur Anton Alichanow gehört nicht zu unserem Sauna-Kollektiv. Aber er hatte trotzdem eine Meinung zu diesem Militärexperten. Gegenwärtig laufe der Kampf um das politische Erbe von Katschinski in Polen. Und so kämpfen Präsident Duda, Premierminister Morawetzki und irgendwelche entlassenen Generäle untereinander und gegeneinander. Alichanow meinte, dass sich die Rhetorik Polens ändern wird, wenn man die Folgen fehlenden Gases, fehlender Kohle und anderer fehlender Dinge zu spüren bekommt.
Soweit zu unseren Gesprächen am Wochenanfang – diesmal in der türkischen Dampfsauna.
Reklame

Um zu kommentieren, müssen Sie sich registrieren oder einloggen.
Kommentare ( 1 )
Müller-Thurgau
Veröffentlicht: 19. Mai 2022 13:22 pmDie türkische Dampfsauna ist wohl das, was man in der Türkei Hamam nennt. In einem echten Hamam wird man vom Personal gewaschen und massiert. Die Massage kann ziemlich heftig sein, manchmal läuft der Masseur sogar auf dem "Opfer" herum. Ich nehme an, das wird in Kaliningrad so nicht praktiziert.
Auf die Türkei ist kein Verlaß, sie beliefert die ukrainischen Banden mit Drohnen und sperrt russischen Flugzeugen den Luftraum nach Syrien. Erdoğan taktiert aus innenpolitischen Gründen nur herum, wenn es darauf ankommt, wird er einen Rückzieher machen. Der NATO-Beitritt von Schweden und Finnland ist nicht aufzuhalten. Ich hoffe, daß zumindest die angekündigte russische Überraschung für Finnland unangenehm sein wird und nicht nur ein kleiner Nadelstich.
Uwe Erich Niemeier
Veröffentlicht: 19. Mai 2022 13:37... richtig, in Kaliningrad haben wir keine Sauna-Sklaven, die uns massieren oder auf uns rumtrampeln. Es dampft eben nur und die Geräusche der Dampfmaschine sind leider auch störend - aber wir halten durch, zumal Finnland schon angekündigt hat, keine NATO-Truppen und keine US-Raketen ins Land zu holen. Da können wir in zwei Wochen in die finnische Sauna zurückkehren. Wenn die Finnen sich nicht an ihr Versprechen halten, dann haben wir in Kaliningrad eine unangenehme Überraschung für Finnland: Ich eröffne eine eigene russische Banja - wir sind schon am bauen.