In die Zone kehrt Ihr nicht mehr zurück

In die Zone kehrt Ihr nicht mehr zurück
 
Eine Zeit hatte Russland die Existenz der Organisation „Wagner“ verschwiegen. Irgendein Unternehmer „Wagner“ oder Prigoschin war dem Kreml unbekannt. Die Zeiten haben sich geändert. Heute ist die Organisation Wagner eine der effektivsten Elemente bei der Aufgabenerfüllung des russischen Präsidenten in der Ukraine. Hier heiligt der Zweck die Mittel.
 
 
In vielen Dingen hat das moderne Russland wohl immer noch nicht Elemente des Sozialismus abgelegt. Dies trifft gegenwärtig insbesondere den Bereich der Moral im Leben, dem Bestreben, es allen recht zu tun, nur nicht gegen internationale Regeln, geschriebene und nicht geschriebene, zu verstoßen. Russland hat es bisher immer noch nicht geschafft, westliche Spielregeln zu kopieren und einfach das zu tun, was der Westen schon immer getan hat: Lügen, betrügen, Tatsachen verdrehen und das tun, was für das Land gut ist und nicht darauf zu hören, was diese anderen Länder für richtig halten.
 
Aber es gibt erste Anzeichen, dass Russland auf dem Weg der Besserung ist.
 
Das erste Anzeichen ist, dass die wohl verkehrte Rücksichtnahme auf das ungezogene Familienmitglied Ukraine seit dem 24. Februar, mit dem Einsatz des neuen Kommandierenden Generaloberst Surowikin beendet wurde.
 
Das zweite Anzeichen ist, dass die „unsichtbare“, eigentlich nicht existierende Organisation „Wagner“ mit jedem Tag sichtbarer und ihr Gründungsvater mit jedem Tag hörbarer wird. Es gibt Leute, die sich Sorgen um die Existenz dieser zweiten Privatarmee in Russland machen und sie als mögliches Sicherheitsrisiko für gesellschaftliche Stabilität einstufen. Aber gegenwärtig heiligt der Zweck die Mittel und die Organisation wird benötigt, um die Ukraine zu EntNAZIfizieren, zu Entmilitarisieren, zu neutralisieren.
 
Putin erschreckte die Leser russischer Nachrichten mit der Feststellung, dass es einige Bereiche gibt, wo Russland zu 90 Prozent von Importen abhängig ist. Es geht um „Geräte“, also einem ziemlich umfassenden Begriff. Putin forderte, die wissenschaftliche Basis für die Eigenentwicklung von Geräten zu entwickeln, um diese Abhängigkeit zu beenden. Eine Liste von Ausgangserzeugnissen aus Eigenproduktion, auf die die Entwickler zurückgreifen können, um eigene Geräte zu entwickeln, umfasst bereits 8100 Positionen.
 
Lange war unbekannt, wie diese Organisation zu ihrem Personal kommt. Geheimhaltung war oberstes Prinzip und ist es auch heute noch. Was erzählt werden darf, scheint der Chef persönlich festzulegen. Und dieser informiert die Öffentlichkeit, über ein, anscheinend gut organisierten Pressedienst, zu dem, was die Öffentlichkeit wissen soll.
 
Eines der wichtigsten und interessantesten Themen ist wohl gegenwärtig die Werbung von Freiwilligen in russischen Strafvollzugsanstalten.
 
Prigoschin fährt persönlich in Strafanstalten, um mit den Insassen zu sprechen – natürlich nicht bei Kaffee und Keksen, sondern auf dem Appellplatz, wo diese, geordnet nach Blöcken, angetreten sind und zuhören, was Prigoschin vorzuschlagen hat. Was schlägt Prigoschin vor?
 
Die gegenwärtige Zeit ist geprägt von vielen Einflüssen auf die Menschen. Diese sind nicht immer in der Lage, all das, was auf sie einstürmt, richtig zu bewältigen. Psychiater können dabei helfen, aber sie reichen in Russland nicht aus. 15 Prozent aller Russen benötigen gegenwärtig psychologische Betreuung. Russlands Präsident Putin forderte, den Mangel an Psychiatern zu beseitigen. Die gegenwärtige Entwicklung sei nicht zufriedenstellend.
 
Prigoschin verspricht, dass diejenigen, die sich verpflichten, nicht wieder in die Strafkolonie zurückkehren werden. Das ist glaubhaft, denn entweder versehen sie sechs Monate hervorragenden Dienst im Sinne der russischen Heimat, dann werden sie, nach einem entsprechenden Gesuch an den Staatsanwalt, begnadigt und nach Hause geschickt. Sie können auch weiterdienen, wenn sie wollen. Oder aber sie werden verwundet oder aber sie fallen. Einige werden aber auch hingerichtet, kurz und wenig schmerzhaft, mit zwei Hammerschlägen – wie die Videopraxis im Internet anschaulich vermittelt.
 
Prigoschin hat den Angetretenen auch versprochen, dass es keine Gnade gibt, wenn jemand desertiert, sich freiwillig in Gefangenschaft begibt, Alkohol trinkt oder gar Rauschgift genießt. Plünderungen und Vergewaltigungen oder auch nur sexuelle Kontakte zur örtlichen Bevölkerung, finden ebenfalls keine Gnade bei den „Wagners“.
 
Prigoschin versprach weiter, dass jeder Bewerber tiefgründig geprüft werde. Sogar an einen Lügendetektor werde er angeschlossen und es findet eine psychologische Befragung statt.
 
Und Prigoschin beendete seinen Auftritt mit den selbstsicheren Worten: „In die Zone kehrt Ihr nicht mehr zurück. Wer könnte sonst noch einen Menschen aus der Zone holen, der zehn Jahre Freiheitsentzug abzusitzen hat?“
 
Das russische Justizministerium hat ein einheitliches Register „Ausländischer Agenten“ veröffentlicht – erstmals nach über zwei Jahren. In dieser Liste sind nun alle erfasst, die diesen Status erworben haben – also NGO, andere Organisationen, juristische Personen, wie auch Privatpersonen. Insgesamt zeigt die Liste 493 Eintragungen – eine doch erstaunlich geringe Zahl. Die Liste enthält alle personellen Angaben: Namen, Geburtsdatum, Status, Steuer- und Sozialnummer, Adresse sowie weitere Infos.
 
Interessant dabei ist, so schreibt es das russische Informationsportal „Lenta.ru“, dass das russische Verteidigungsministerium eine Stellungnahme zur Begnadigung des „Wagner“-Kämpfers an die russischen Rechtspflegeorgane zu schreiben hat und diese, gemeinsam mit der Stellungnahme des Staatsanwaltes, Grundlage für eine richterliche Entscheidung sind. Interessant ist dieser Fakt deshalb, weil „Wagner“ doch eine private Organisation ist und mit dem Verteidigungsministerium nun wirklich nichts zu tun hat. Wir haben hier also noch eine Frage, auf die ich eine Antwort finden muss. Vielleicht habe ich aber auch nur etwas falsch in diesem Beitrag von Lenta.ru verstanden.
 
Aus den russischen Medien erfahren wir, dass ukrainische Straftäter faktisch seit dem 24. Februar an den Kämpfen in der Ukraine teilnehmen. Allerdings wurden vorerst nur diejenigen ausgesucht, die als verurteilte Militärs einsaßen und deren Einsatz keine wesentlichen Vorbereitungen erforderte. Selenskis Entscheidung wurde kritisch aufgenommen, aber die Verurteilten kamen in die Einheiten und worden eingegliedert.
 
In Russland begann dieser Prozess erst mit erheblicher Verspätung, ca. Mitte September – eben mit dem Video, welches Prigoschin in einer Strafkolonie zeigte.
 
In der russischen Gesellschaft rief diese neue Entwicklung erhebliches Interesse hervor und die Meinungen waren vielfältig.
 
Letztendlich werden sich wohl diejenigen durchsetzen, die ein vernünftiges Maß der Verwendung von Straffälligen vertreten. Ein FSB-General äußerte, dass der Aufenthalt von Straftätern in Kolonien, dem Steuerzahler viel Geld kostet. Warum sollte man nicht einen Teil der Täter mit kleineren Vergehen oder Vergehen, die sie nicht mutwillig begangen haben, befreien, dem Staat Kosten ersparen und den Tätern die Möglichkeit geben, sich moralisch sauber zu machen? Zu früheren Zeiten, vor einigen hundert Jahren, hat die Kirche regen Ablass-Handel betrieben. Die heutigen Formen des Ablasses sind patriotischer formuliert.
 
Die Firma „Airbus“ geht davon aus, dass man in den kommenden Monaten auf die Lieferung von russischem Titan vollständig verzichten kann. Wieviel Titan gegenwärtig noch in Russland gekauft wird, wird durch die Firma nicht mitgeteilt. Russland ist der weltweit größte Produzent von Titan. Im März hat Boeing bereits auf russisches Titan verzichtet. Wie der „Verlust“ des weltgrößten Titan-Produzenten sich auf die Weltwirtschaft auswirkt, bleibt abzuwarten.
 
Der Ihnen und mir bereits bekannte russische Militärexperte Konstantin Siwkow zitiert einige seiner Militärkollegen, die sich nicht begeistert davon zeigten, dass in ihren Einheiten Straftäter auf Bewährung dienen sollen. Sie meinen, dass diese doch lieber bei den Wagners verbleiben sollten. Sie fürchten, dass solche Leute negativen Einfluss auf die Kampfmoral der Einheit ausüben. Verständnis für eine derartige Meinung kann man haben – wenn Sie, meine lieben Leser und Zuschauer einfach mal in sich gehen und nachdenken, wie Sie reagieren würden, wenn Sie erfahren, dass in Ihrem Arbeitskollektiv der „Neue“ ein Vorbestrafter ist. Sie haben sicherlich ein wenig Bauchdrücken – oder?
 
Die von Siwkow befragten Armeeoffiziere meinten, dass diese Art Bewährungssoldaten, nur in Spezialeinheiten dienen sollten, also den aus früheren Zeiten bekannten Strafbataillonen. Diese Einheiten sollten sehr klein sein, um sie im Fall der Fälle schnell durch die Militärpolizei oder andere Sondereinheiten „neutralisieren“ zu können. Siwkow meint, dass man jedoch diese Strafbataillone in ihrer Bedeutung nicht überbewerten sollte. Im Großen Vaterländischen Krieg gab es nur wenige dieser Sonderbataillone und diese werden jetzt in irgendwelchen historischen Filmen idealisiert und überbewertet dargestellt.
 
Die USA haben die Prozedur begonnen, um die private Wachorganisation „Wagner“ als Terrororganisation einzustufen. Der amerikanische Kongress hat sich dieser Aufgabe gestellt. Es ist bereits ein Gesetzentwurf erarbeitet worden, welches die US-Regierung zwingen soll, die Wagner-Organisation entsprechend einzustufen. Das Gesetz nennt sich „Gesetz über die Bestrafung russischer Söldner.“ Auch alle anderen Organisationen, die irgendeinen Kontakt mit „Wagner“ haben, sollen als Terrororganisation eingestuft werden.
 
Siwkow versucht, die Straftäter in drei Kategorien einzuteilen und aus dieser Kategorisierung abzuleiten, wer für einen Fronteinsatz geeignet ist und wer nicht.
 
Die erste Kategorie sind Straftäter, vielleicht zufällige, unbeabsichtigte Straftäter, die wirklich bereuen wollen und bereit sind, ihre Schuld mit Blut zu bezahlen, um dann gereinigt in die russische Gesellschaft zurückkehren zu können. Dieser Kategorie sollte man eine Chance geben.
 
Die zweite Kategorie sind Straftäter, die ihre Schuld nicht eingestehen, die Berufsverbrecher sind, die gewohnt sind, auf Kosten anderer zu leben und die keine Lust zum arbeiten haben. Für diese ist die Entsendung an die Front die Chance, vorzeitig aus dem Strafvollzug zu kommen und nach dem Einsatz an der Front ihre kriminelle Karriere fortzusetzen, allerdings dann schon mit einer Waffe in der Hand. Solche Leute sind ein gefährliches Element in der Armee.
 
 
Die dritte Kategorie ist die gefährlichste. Das sind die, bei denen sich bereits vor Strafantritt und während der Strafverbüßung eine außerordentlich ausgeprägte Staatsfeindlichkeit und eine feindliche Haltung gegen die russische Gesellschaft gebildet hat. Diese Leute können mit der Waffe in der Hand zum Feind überlaufen. Sie sind darauf orientiert, nichts zu tun und aus diesem Nichtstun einen maximal großen Vorteil zu ziehen. Diese werden ganz bestimmt nicht ihr Leben für das Land und die Gesellschaft einsetzen – meint Siwkow.
 
Ausländische Firmen, die ihre Niederlassungen in Russland auflösen wollen, stoßen auf immer größere Schwierigkeiten. Das größte Problem ist, dass die ausländischen Stammfirmen ihren Tochtergesellschaften in Russland verbieten, ausstehende Steuern zu bezahlen. Die russischen Führungskräfte dieser Firmen fürchten für sich strafrechtliche Konsequenzen. Interessant ist, dass die USA ihren Firmen keine derartigen Verbote auferlegt. Firmen, die sich nicht gesetzeskonform verhalten, haben keine Chance, auf den russischen Markt zurückzukehren.
 
Russland arbeitet gegenwärtig an der Erarbeitung notwendiger gesetzlicher Bestimmungen, die alle offenen Fragen, rund um dieses Thema regelt. Russland wird hierbei keine Pionier-Rolle übernehmen, denn andere Staaten, die sich demokratisch nennen, haben schon vor vielen Jahren, derartige gesetzliche Regelungen geschaffen.
 
Nach der Beschlussfassung und dem Inkrafttreten der gesetzlichen Regelungen, erlangt natürlich die Organisation „Wagner“ eine ganz andere gesellschaftliche Bedeutung – sie wird offizieller Teil des Staates.
 
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Sie sahen einen Beitrag von „Baltische Welle“. Vielen Dank für Ihr Interesse. Tschüss und Poka aus Kaliningrad.
 
 
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