Kaliningrad – wann kommt der Ausnahmezustand?

Am Freitag vergangener Woche trat der Kaliningrader Gouverneur vor die Kameras und informierte über die Lage im Gebiet. Ein wenig später informierte er nochmals und bat die Eltern, insbesondere die Kinder zu schützen. Alles deutete darauf hin, dass die Lage in Kaliningrad ernst ist und der Gouverneur möchte, dass die Kaliningrader das verstehen. Aber sie verstanden ihn nicht.
Ab Montag sollte in Kaliningrad, genau wie in Moskau, das System der Sonderausweise gelten. Nur wer einen derartigen Ausweis hat, darf auf die Straße. Und an diesem denkwürdigen Montag gab es so viel Bewegung, so viele Autos, so viele Menschen auf den Kaliningrader Straßen, wie noch nie seit dem 31. März, der Verhängung der Selbstisolierung. Das Bewertungssystem von Yandex für ausgewählte russische Städte zeigt: Die Kaliningrader haben den Ernst der Lage überhaupt nicht verstanden. Und sie scheinen förmlich darum zu betteln, dass der Staat zeigt, über welche Machtmittel er verfügt.

Und es deutet alles darauf hin, dass der Staat sich darauf vorbereitet, diese Machtmittel einzusetzen.
So kommentierte der russische Präsident Putin am Montag, dass die staatlichen Strukturen alles tun, was in ihrer Macht stehe, aber die Situation verbessere sich nicht, ganz im Gegenteil, es wächst die Zahl der Infizierten und insbesondere der mit schwerem Verlauf. Er stellte die Aufgabe, alle Szenarien, selbst die denkbar unmöglichsten Szenarien, der Entwicklung der Ereignisse, durchzuspielen und zu analysieren.
Und Putin ergänzte weiter, dass Russland überhaupt keinen Anlass hat, sich entspannt zurückzulehnen, denn Russland hat den Höhepunkt der Corona-Krise noch nicht erreicht.
Russlands Premier Mischustin hatte anscheinend aufmerksam zugehört, was der Präsident sagte und hat verstanden, was der Präsident meinte, denn anschließend unterschrieb er eine Anordnung, die einer Reihe von nachgeordneten Behörden, wie dem Katastrophenministerium, der Brandschutzbehörde, der RosGarde und weiteren, neue Befugnisse im Rahmen eines möglichen Ausnahmezustandes übergab.
Aber die Bevölkerung hat nicht verstanden. Jeder glaubt, insbesondere wohl die Kaliningrader, dass er irgendeinen imaginären Schutzpanzer hat.
Und liest man die Meldungen der Kaliningrader Medien, so kann man nur mit dem Kopf schütteln.
So informiert der Leiter der Kaliningrader Stadtreinigung, dass sich der Müll in Kaliningrader öffentlichen Abfallbehältern um die Hälfte verringert hat. Schön für die Müllentsorgung, aber die Ziffern besagen auch, dass sich immerhin die Hälfte der Kaliningrader Bevölkerung auf den Straßen bewegt und Müll produziert, obwohl eigentlich mindestens 80 Prozent zu Hause sitzen müssten.
Und die Kaliningrader Verkehrspolizei informiert, dass sich die Anzahl der Verkehrsunfälle in der letzten Woche, also der zweiten Woche seit dem Zeitpunkt der Einführung der Selbstisolierung verdoppelt habe – richtig, Sie lesen richtig, verdoppelt und nicht halbiert. Dabei sollen doch die Straßen leerer werden – wir sind doch in der Selbstisolierung! Es passierten 109 Verkehrsunfälle mit 19 Verletzten und einem Toten. Und außerdem registrierte die Verkehrspolizei 16.524 Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung.
Kaliningrader Medien informieren, dass die Polizei am vergangenen sonnigen Wochenende im ganzen Kaliningrader Gebiet immerhin 125 Protokolle gegen Verletzer der Festlegungen der Selbstisolierung aufgesetzt habe. 125 im ganzen Kaliningrader Gebiet! Einfach lächerlich, wenn man den Index der Selbstisolierung sieht. Entweder sind die Ordnungshüter blind oder sie haben – zumindest vorläufig – die Weisung erhalten, großzügig zu sein und auf die wachsende Disziplin der Kaliningrader zu hoffen.
Nun, der Montag hat gezeigt, dass dieses Hoffen auf eine bessere Disziplin völlig sinnlos ist. Die Disziplin verschlechtert sich und wir warten auf weitere Infizierte und weitere Tote und … auf den Ausnahmezustand.
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Kommentare ( 1 )
Bastian Радебергер Radeberger
Veröffentlicht: 14. April 2020 20:09 pm"Und es deutet alles darauf hin, dass der Staat sich darauf vorbereitet, ...."
Da kommt mir doch glatt der Ausspruch Lenins bezüglich des Tritts und des russischen Muschik in den Sinn. Manche brauchen es eben.
Uwe Erich Niemeier
Veröffentlicht: 14. April 2020 21:21... und schon gibt es den ersten Tritt ... Propuskpflicht in Kaliningrad ab 16. April und Putin fordert "extraordinäre Maßnahmen".