Kamingespräch: DDR.R – Demokratische Deutsch-Russische Republik. Nostalgisches.


Es gibt viele Möglichkeiten, sich zu treffen und Gespräche zu führen. In Russland ist es üblich, dass man sich in der Küche trifft. Auch ich sitze mit meinen Gästen in der Küche. Aber es gibt Ausnahmen und wir sitzen neben einem Kamin – auch zu hitzigen Zeiten, und versuchen mit kühlem Kopf Gedanken auszutauschen.
Sie erinnern sich sicherlich noch ein meinen Beitrag, den ich am vergangenen Montag veröffentlicht hatte. Er trug den Titel:
Russland zu groß? Deutschland zu klein? Wem gehört Kaliningrad?
Er endete damit, dass ich gerne die Meinung eines Bekannten hören wollte, wie er über diese Thematik denkt – über die Thematik der Aufsplittung der Russischen Föderation in Einzelstaaten durch die antirussische Staatengemeinschaft, mit ihren dafür speziell geschaffenen, angeblich privaten Strukturen.
Mein Bekannter meinte plötzlich, dass, wenn Deutschland sich das Recht herausnimmt, Diskussionen über den territorialen Status Quo der Russischen Föderation zuzulassen, dass dann doch eigentlich auch Russland das Recht hätte, über den territorialen Status Quo Deutschlands nachzudenken.
Ein nicht unerheblicher Teil der deutschen Gesellschaft glaubt, dass Deutschland im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges ungerecht behandelt wurde und man Anspruch auf die deutschen Ostgebiete hätte. Und seit spätestens 1949 ist man dabei, diesen Anspruch geltend zu machen. Wie wir wissen, mit ziemlich großem Erfolg.
Wieso hat also nicht auch Russland heute, nachdem sich die außenpolitische Lage radikal verändert hat, sich Deutschland als undankbarer exGesprächspartner zeigt, das Recht, seine Rechte am verlorenen Gebiet DDR wieder einzufordern?
Ob derartige Forderungen real sind oder nicht, sei eine andere Frage, meinte mein Gesprächspartner. Aber so, wie Deutschland Russland mit der Rückgabe der Ostgebiete seit Jahrzehnten tyrannisiert, so sollte dies Russland umgekehrt auch tun. Warum soll man die Nerven Deutschlands schonen? Deutschland soll sich territorial genau so unwohl fühlen, wie sich Russland unwohl fühlt.
So in etwa endete das Gespräch am vergangenen Sonntag, bevor wir dann unser Gespräch am Kamin planten.
Wir haben die DDR damals, 1990, leichtsinnig aufgegeben. Obwohl, eigentlich war unser Rückzug Doppelverrat. Der erste Verrat erfolgte durch Gorbatschow und der zweite Verrat durch Jelzin, der, nachdem er die Macht in Russland übernommen hatte, den Abzug nicht stoppte – meinte mein Bekannter.
Man müsste heute die damals abgeschlossenen Verträge nochmals genau lesen, um festzustellen, ob man nicht einfach nur einseitig übervorteilt wurde. Dann könnten wir die Verträge anfechten … setzte mein Bekannter fort.
Obwohl ich mit seinen grundsätzlichen Überlegungen, also dass die Westmächte, gemeinsam mit Deutschland, die Sowjetunion „übers Ohr gehauen haben“, durchaus konform gehe, sehe ich dies doch ein wenig skeptischer und überhaupt nicht einfach. Eigentlich sehe ich eine Rückabwicklung der Verträge von damals als unreal.
Wieso, fragte mein Bekannter?
Selbst wenn alle Gerichte dieser Welt feststellen, dass die Sowjetunion/Russland übers Ohr gehauen wurde und alle Gerichte dieser Welt Russland das Recht zugestehen, die DDR zurückzufordern, wird es einen derart großen Widerstand, nicht nur deutscher Kräfte geben, so dass man die Frage nur mit militärtechnischen Mitteln lösen kann – woran Russland, da es ja nicht angegriffen wird, nicht interessiert ist. Es geht ja eigentlich nur darum, Deutschland als potentiellen Gegner zu loyalisieren, von mir aus zu neutralisieren.
Und es steht die Frage, was will Russland eigentlich mit dem Gebiet der exDDR? Truppen stationieren? Wozu? Die Gruppierung befindet sich dort sofort in Isolation: Polen im Rücken, Tschechien an der linken Flanke und Restdeutschland im Frontgraben vor der Nase. Logischer wäre doch, eine Entmilitarisierung Deutschlands und den Neutralitätsstatus zu erreichen, so wie es Stalin damals vorgeschlagen hat. Das scheint aber auch heute völlig unreal zu sein, so dass das Minimalziel für Russland gegenwärtig nur sein kann, den Abzug der Amerikaner aus Deutschland, noch besser, aus Europa zu erreichen – so meine Überlegungen.
Aber um das zu erreichen, müsste doch das gesamte politische System in Deutschland geändert werden. An den Schalthebeln der Macht, egal wohin wir schauen, nach ganz oben oder nach ganz unten, sitzen doch die sogenannten Transatlantiker – entgegnete mein Bekannter. Die werden das nicht zulassen.
Ich stimmte ihm zu.
Also kommen wir wieder dazu, eine Politik zu betreiben, wie sie der Westen betreibt. Wir brauchen die doch nur zu kopieren! Er, der Westen, hat es durch Verrat, aber natürlich auch durch unsere eigene wirtschaftliche Misswirtschaft, geschafft, die Sowjetunion in Einzelteile zu zerlegen. Jede ehemalige Sowjetrepublik verfolgt jetzt ihre eigene, häufig antirussische Politik. Für den Westen war es ziemlich einfach, nach dem Zerfall in diesen einzelnen neuen Republiken neue Regierungen einzusetzen. Wenn es uns gelingt, in Deutschland die Strukturen zu schaffen, die man bei uns geschaffen hat, also massenhaft NGO´s, Freundschaftsgesellschaften, Handelsvertretungen usw., könnten wir auch einen Zerfall Deutschlands erreichen. Man müsste doch nur das reiche Bayern davon überzeugen, dass es noch reicher wird, wenn es nicht immer in den föderalen Topf das zuviel verdiente Geld einzahlen muss. Also ich träume von einem Deutschland, wie es vor dem Jahre 1871 war – schwärmte mein Gesprächspartner.
Ich sah ihn entsetzt an. Ich hatte ihn eigentlich immer als ernsthaften Gesprächspartner eingeschätzt. Aber mein Blick auf ihn sagte, dass er einen Scherz gemacht hatte.
Das Problem ist, dass man zum Umbau einer Gesellschaft, zu radikalen Veränderungen, befähigte und vor allem willige Menschen braucht. Und die sehe ich nicht in Deutschland – setzte ich fort. Es geht den Deutschen viel zu gut, als dass diese über Veränderungen nachdenken. Veränderungen wird es nur geben, wenn die deutsche Wirtschaft ernsthaft zusammenbricht und das Volk in Massenarbeitslosigkeit und Inflation echte Not leidet. Und diese Not sehe ich weder für morgen, noch für übermorgen – setzte ich meine Überlegungen fort.
Und, so schwer wie es mir fällt, dies zu formulieren, sobald es nur den leisesten „Verdacht“ gibt, dass hinter politischen Prozessen „die Russen“ stecken könnten, wird es diesen Prozess nicht geben – weder im Osten Deutschlands und schon gar nicht im Westen. Das russische Image ist ramponiert und Russland hat den Deutschen real nichts Interessantes, außer Sicherheit, zu bieten, was aber den Deutschen gegenwärtig völlig wurscht ist.
Hat denn die Frau Wagenknecht keine Perspektive, fragte mein Kamingast?
Frau Wagenknecht hat in Deutschland genau so wenig eine politische Perspektive, wie sie alle anderen bisherigen Neuparteien in Deutschland hatten. Die Parteien, die auftauchen und nicht von Gottes- und US-Gnaden sind, werden durch die notwendigen Strukturen unterwandert und letztendlich verschwinden sie durch Skandale und sonstige politische Spielereien wieder von der Bildfläche. Die Praxis seit 1990 hat dies gezeigt, dass das System perfekt organisiert ist – antwortete ich meinem Gesprächspartner. Ich glaube, der ehemalige Chef des bundesdeutschen Verfassungsschutzes hatte sich zur Praxis der Unterwanderung der Parteienlandschaft kürzlich geäußert.
Also, Sie sehen keine Perspektive, die DDR.R, also die Demokratische Deutsch-Russische Republik in irgendeiner Form in absehbarer Zeit ins Leben zu rufen?
Nein, sehe ich nicht – leider. Zumindest nicht als souveränes internationales Subjekt, wirtschaftlich und finanziell eigenständig, vielleicht sogar mit einer eigenen Währung – dem DRR, dem Deutsch-Russischen Rubel – fügte ich halb ernst, halb belustigt hinzu.

Dann bleibt uns also nichts weiter übrig, als eine Politik, offiziell und nicht offiziell, gegenüber Deutschland zu pflegen, die Deutschland zwingt, sich mit sich selber in so einem Umfang zu beschäftigen, dass es keine Zeit mehr hat, den Oberlehrer in der Welt zu spielen und über die Zukunft von Großdeutschland und die Russische Föderation nachzudenken – schlug mein Gast vor.
Ja, ein guter Gedanke. Machen wir es doch einfach so, wie es der Westen mit uns gemacht hat. In diesem Fall ist es wohl wirklich so: Vom Westen lernen, heißt siegen lernen.
Sie sahen einen Beitrag von „Baltische Welle“. Vielen Dank für Ihr Interesse. Tschüss und Poka aus Kaliningrad.
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