Kamingespräch: Gerüchteküche um das deutsche Generalkonsulat in Kaliningrad

Kamingespräch: Gerüchteküche um das deutsche Generalkonsulat in Kaliningrad
 
Es gibt viele Möglichkeiten, sich zu treffen und Gespräche zu führen. In Russland ist es üblich, dass man sich in der Küche trifft. Auch ich sitze mit meinen Gästen in der Küche. Aber es gibt auch Ausnahmen und wir sitzen neben einem Kamin – auch zu hitzigen Zeiten, und versuchen mit kühlem Kopf Gedanken auszutauschen.
 
 
 
Eigentlich bin ich es gewohnt, dass sich russische Bekannte bei mir in Erinnerung bringen und mit mir am Kamin sprechen wollen. Diesmal polterte ein deutschsprachiges email in meinen Postkasten:
 
Lieber Herr Niemeier, seit längerem verfolge ich Ihre mediale Tätigkeit. Haben Sie Zeit für mich? Ich würde mich gerne mit Ihnen über das deutsche Generalkonsulat unterhalten…
 
Ich erhalte ab und zu Anfragen von Deutschen zu einem Treffen in Kaliningrad. Bei vielen dieser Anfragen habe ich den Eindruck, als ob man sich nur mal diesen „Deutschen-Russen in Kaliningrad“ in Natur anschauen will. Nicht selten erscheinen dann diese „Interessierten“ nicht – schade um meine Zeit.
 
Somit bin ich ziemlich misstrauisch geworden, wenn sich jemand mit mir treffen will. Und wenn dann noch über das deutsche Generalkonsulat gesprochen werden soll, dessen Anwesenheit und Arbeit in Kaliningrad ich sowieso nicht verstehe … da sinkt mein Interesse fast auf den Null-Punkt.
 
Aber mein „Briefpartner“ ließ nicht locker, meinte, dass er schon in Kaliningrad sei und sogar ein Hotelzimmer in unmittelbarer Nähe zu meinem Office hat. Er könne schon in einer halben Stunde bei mir sein. Ich zeigte meine schwache Seite, kapitulierte und suchte mein russisches Gschel-Service für einen heißen russischen Tee heraus.
 
Natürlich habe ich nicht nach seinem Ausweis oder sonstigen Intimitäten gefragt. Ich glaube, er hieß Schulz oder Meier oder Lehmann. Er war gekleidet wie ein Beamter aus der Besoldungsgruppe A16. Und irgendwie konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass an meinem Kamin nicht nur ein Konsument meiner medialen Erzeugnisse saß.
 
Er meinte, dass es Gerüchte gäbe, dass das deutsche Generalkonsulat in Kaliningrad geschlossen werden soll. Ob ich denn auch schon davon gehört habe – wollte er wissen.
 
Gerüchte gäbe es schon länger, antwortete ich. Alle anderen diplomatischen Vertretungen in Kaliningrad sind ja eigentlich nur noch schattenhaft anwesend. So ist es klar, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis auch das deutsche Generalkonsulat, als letztes Element der EU-Troika in Kaliningrad, geschlossen oder zumindest geschrumpft wird.
 
Und, würden Sie sich darüber freuen – fragte mein deutscher Gesprächspartner?
 
Ach wissen Sie, antwortete ich, als das Generalkonsulat im Jahre 2004 nach Kaliningrad kam, hatte ich irgendwie eine andere Vorstellung. Für mich war eine diplomatische Vertretung immer ein Imagepunkt für die Gastgeberstadt. Ich hoffte, als damaliger Immobilienunternehmer in Kaliningrad, auf eine wirtschaftliche Entwicklung, auf ein großes Engagement deutscher Unternehmer. Ich hoffte auf viele andere Aktivitäten, auch im Kulturbereich. Ich hoffte auch auf internationale Kongresse, auf zwischenstaatliche Treffen in Kaliningrad … Alle diese Erwartungen wurden nicht erfüllt. Ganz im Gegenteil, die Arbeit des Generalkonsulats war kontraproduktiv und führte sogar in der Vergangenheit dazu, dass viele deutsche Einrichtungen geschlossen wurden oder das Kaliningrader Gebiet freiwillig und notgedrungen verließen. Sie haben doch sicherlich vom Totengräber Lissner gehört – unterbrach ich mich selber und schaute auf meinen Gesprächspartner.
 
 
Dieser nickte. Er habe davon gehört. Aber das ist doch alles kalter Kaffee von gestern – erwiderte er nach einem Schluck heißen Tee.
 
Könnte man meinen, aber dem ist nicht so, setzte ich fort. Ich spreche auch mit anderen Leuten und die haben mir erzählt, dass der jetzige Generalkonsul … ich vergesse immer wieder seinen Namen …
 
… Mattern, Hans Günther Mattern … erinnerte mich mein Gegenüber …
 
 
… richtig, Mattern … mit deutschen Unternehmern, deutschen Landwirten gesprochen haben soll. Er habe diese nach dem Sinn ihres Aufenthaltes und ihres Engagements hier in Kaliningrad gefragt und ob es nicht besser ist, wenn sie auch, so wie BMW und andere Firmen, Kaliningrad verlassen würden.
 
Aha, das habe ich noch nicht gehört, meinte Herr Schulz … Und wie haben die deutschen Unternehmer und Landwirte reagiert, werden sie Kaliningrad verlassen?
 
Ich glaube nicht, dass Landwirte oder klein- und mittelständische Unternehmer Kaliningrad verlassen werden. Wo sollen die denn hin? Wer ersetzt denen die Verluste? Ein Landwirt lebt von der Hand in den Mund und kann nicht einfach mal Abschreibungen in Millionenhöhe vornehmen. Sollte Generalkonsul Mattern wirklich hiesigen deutschen Unternehmern derartiges nahegelegt haben, so zeugt dies doch wohl von vollständiger wirtschaftlicher Inkompetenz. Eigentlich müsste der Generalkonsul alles tun, um unter den gegenwärtigen Bedingungen die Existenz von deutschen Bürgern in Kaliningrad zu schützen. Aber er erfüllt anscheinend weder diese Aufgabe, noch seine politische Hauptaufgabe.
 
Was verstehen Sie unter politischer Hauptaufgabe – fragte mein Gegenüber, aus der von mir vermuteten Besoldungsgruppe A16?
 
War es der stellvertretende russische Außenminister Rjabkow oder war es der Botschafter Antonow – ich weiß es nicht mehr genau … Er hatte im Dezember kommentiert, dass ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen der letzte Schritt ist, bevor es zu militärischen Aktivitäten kommt. Daran ist niemand interessiert. Und für Kaliningrad, als geopolitisch sehr gefährdetes Gebiet, sehe ich dies ähnlich. Anwesende Diplomaten strahlen häufig ein Signal der Besonnenheit aus – zumindest sollten sie dies. Sie sollten aber mit ihren Handlungen zumindest nicht verunsichern. Schauen wir einfach auf Polen und Litauen, deren diplomatische Vertretungen fast geschlossen sind und schauen wir auf deren Kriegsrhetorik gegenüber Russland und Kaliningrad. Deutschland zeigt diese Schärfe gegenwärtig noch nicht.  
 
Die deutsche Außenamtsleiterin Baerbock … versuchte ich fortzusetzen, wurde aber unterbrochen.
 
Herr Niemeier, ich kenne Ihre spitze Zunge – unterbrach mich Herr Lehmann, aber könnten wir uns nicht auf die offizielle Amtsbezeichnung einigen. Ich komme mit Frau Baerbock auch nicht immer klar, aber sie ist doch Ministerin im Auswärtigen Amt …
 
Bog s nej … antwortete ich. Die Aufgabe von Frau Baerbock besteht darin, die diplomatischen Beziehungen auf möglichst hohem Niveau zu halten und nicht die Vertretungen im Ausland zu nutzen, um deutschen Unternehmern, der deutschen Wirtschaft, dem deutschen Steuerzahler, Schaden zuzufügen. Die Frau … Ministerin hat einen Amtseid geschworen. Und der deutsche Generalkonsul Mattern hat dies auch getan. Und es wäre seine Aufgabe und die Aufgabe von Frau Baerbock, die Interessen der Deutschen in Kaliningrad zu schützen. Aber ich sehe nicht, dass dies geschieht.
 
Die diplomatische Vertretung in der Telmana 14 ist die einzige noch verbliebene deutsche Anlaufstelle für die Kommunikation zwischen beiden Ländern – setzte ich fort. Ich sehe aber nicht, dass dort irgendwelche Aktivitäten stattfinden. Es gibt keine Interviews von Herrn Mattern, man sieht ihn nirgendwo bei irgendwelchen Veranstaltungen. Ich habe den Eindruck, als ob der Mann sich isoliert. Aber wozu brauchen wir in Kaliningrad hochbezahlte Diplomaten, die sich isolieren?
 
Ich weiß, Sie haben eine besonders kritische Meinung zum deutschen Generalkonsul Mattern – unterbrach mich Herr Meier…
 
Ach wissen Sie, unterbrach ich wiederum meinen Gast, es gibt Leute, die formulieren viel schärfer. Sie meinen, dass Herr Mattern auch die Hauptrolle einer Romanfigur von Dostojewski in Kaliningrad ausfüllen könnte... Ich bevorzuge andere verbale Formulierungen. Der Mann ist, nach meinem Gefühl, einfach nur auf dem verkehrten Dienstposten.
 
 
Aber vielleicht sehen oder hören Sie nicht alles? Nicht alles, was man im Generalkonsulat tut, wird in den Medien veröffentlicht, ignorierte mein Gesprächspartner meinen Einwurf (vielleicht kannte er auch Dostojewskis Romanfigur nicht).
 
Videoeinspielung: „Der Idiot“
 
Ja, durchaus möglich – antwortete ich. Dann sagen Sie mir doch mal einige Beispiele, die ich nicht weiß. Was hat Herr Mattern im Jahre 2022 getan, um die deutsch-russischen Beziehungen auf irgendeinem Gebiet zu pflegen? Oder was hat er im Jahre 2021 getan?
 
Was hat Frau Baerbock getan, um dem deutschen Generalkonsul, wenn dieser schon nicht selber in der Lage ist, diplomatisch aktiv zu sein, hierbei zu helfen?
 
Ich legte eine Pause ein, schaute mein Gegenüber an, erhielt aber keine Antwort. Gab es keine Beispiele?
 
Und so setzte ich fort.
 
Normalerweise arbeiten Diplomaten an einem Ort drei Jahre und wechseln dann. Die drei Jahre waren für Generalkonsul Mattern im September 2022 um. Er ist nicht abgereist, er ist geblieben – hat anscheinend verlängert. Mit anderen Worten: Frau Baerbock ist mit der Arbeit des deutschen Generalkonsuls einverstanden – oder? Aber was tut er denn und was tun die vielen anderen Mitarbeiter im Generalkonsulat? Wie viele Millionen Euro kostet jährlich der Unterhalt dieser Vertretung, wo niemand, außer vielleicht der BND weiß, was dort getan wird?
 
Sie wären also nicht traurig, wenn das Generalkonsulat geschlossen wird – wollte mein Kamin-Gast wissen?
 
Ach wissen Sie, so würde ich es nicht formulieren wollen. Ich würde mir eine deutsche Vertretung wünschen, die wirkliche Arbeit leistet in Kaliningrad – im Interesse der deutschen Bürger, die hier leben und arbeiten, wie auch der russischen Bürger. Wenn das Generalkonsulat neu formatiert wird, soll es noch hundert Jahre bleiben – allerdings ohne den jetzigen Generalkonsul Mattern und ohne die Mannschaft, die sich in der Telmana isoliert.
 
Ich würde Herrn Mattern nicht unbedingt als russophoben deutschen Beamten bezeichnen wollen, aber ehrliche Sympathien bringt er Russland nicht entgegen – so mein Eindruck.
 
Die Dienstposten im Kaliningrader Generalkonsulat werden – so mein subjektiver Eindruck – wohl nur genutzt, um die Sparkonten der nach Kaliningrad entsandten Beamten in Deutschland aufzufüllen – für Kaliningrad soll es ja Schmutzzulage geben – hat mir mal ein anderer Diplomat erzählt.
 
 
Ich schaute auf mein Gegenüber und erinnerte mich, dass eigentlich ER mit mir sprechen wollte. Aber es war umgekehrt, ich sprach mit ihm, antwortete auf seine Fragen … nein, wie ein Verhör kam es mir nicht vor, aber jetzt, wo ich diesen Beitrag erarbeitet habe, würde es mich schon interessieren, mit wem ich denn eigentlich gesprochen habe. Aber selbst, wenn ich nochmals und direkt gefragt hätte … eine ehrliche Antwort hätte ich wohl sowieso nicht erhalten.
 
Hoffen wir, dass ich mit dem Richtigen gesprochen habe, vielleicht mit einem Abgeordneten aus dem Bundestag oder zumindest mit dem Gehilfen eines Abgeordneten und mir meine Offenheit nicht zum Nachteil gereicht. Hoffen wir, dass Deutschland doch noch, wenige Minuten vor Zwölf, die richtige Entscheidung trifft und ein zweckdienliches Verhältnis zu Russland schafft – ein freundschaftliches wird es in den nächsten Jahren wohl nicht mehr geben.
 
 
Anhang vom Zusatzinformationen, veröffentlicht auf VKontakte und Telegram-Kanal in Vorbereitung der Veröffentlichung des Hauptartikels:
 
Seit 2004 arbeiteten sechs deutsche Generalkonsuls in Kaliningrad. Einer dieser Generalkonsuls gab mir vor Jahren ein Interview. Er informierte, dass die Hauptaufgabe des deutschen Generalkonsulates darin besteht, Visa für die russischen Bürger auszustellen, die im Kaliningrader Gebiet wohnen. Nun werden aber kaum noch Visa ausgestellt. Und somit steht die Frage, welche Hauptaufgabe das Generalkonsulat in Kaliningrad gegenwärtig erfüllt? Fragen wir noch konkreter: Welche Aufgaben erfüllt das deutsche Generalkonsulat überhaupt noch? Ist es gerechtfertigt, dass die deutschen Steuerzahler Millionen von Euro jedes Jahr für eine deutsche Einrichtung im Ausland bezahlen, deren Tätigkeit nicht nachvollziehbar ist?
 
 
Mitte 2004 traf ein sogenanntes Vorkommando des deutschen Auswärtigen Amtes in Kaliningrad ein. Es bestand aus zwei Personen. Diese hatten die Aufgabe, alle Voraussetzungen zu schaffen, um ein Generalkonsulat zu eröffnen. Eine Vereinbarung über die Eröffnung eines Generalkonsulates war zwischen Russland und Deutschland erzielt wurden. Damals war man in Russland wohl noch überzeugt, dass sich die Beziehungen zwischen beiden Staaten positiv entwickeln können. Man hatte in Russland keine Sicherheitsbedenken, eine deutsche Vertretung im ehemaligen „Königsberg“ zu etablieren. Die Zeiten haben sich geändert. Zum einen ist die Tätigkeit dieser deutschen Einrichtung in Kaliningrad unklar. Was tun die vielen Mitarbeiter dort? Zum anderen ist Deutschland für Russland insgesamt ein Feindstaat geworden. Es beliefert die nazifizierten Slawen in der Ukraine mit Waffen. Man sollte über neue Sicherheitsanforderungen für das Kaliningrader Gebiet nachdenken.
 
 
Erinnern Sie sich noch an den deutschen Generalkonsul Dr. Guido Herz? Richtig! Er war der engagierteste und beliebteste Generalkonsul und wurde bei seinem Abschied aus Kaliningrad mit der Kaliningrader Verdienstmedaille ausgezeichnet. Weitere Ehrungen für Vertreter des deutschen Staates gab es nicht mehr. Es gab auch den Generalkonsul Dr. Dr. Rolf Krause. Er hatte nicht nur eine hohe Körpergröße, sondern auch eine hohe Kommunikationsfreudigkeit.
 
 
 
 
 
 
Kommentare werden auf diesem Portal nicht mehr freigeschaltet.
 
Sie sahen einen Beitrag von „Baltische Welle“. Vielen Dank für Ihr Interesse. Tschüss und Poka aus Kaliningrad.

 

Reklame

Kommentare ( 0 )

Um zu kommentieren, müssen Sie sich registrieren oder einloggen.

Autorisierung