Saunagespräch: Deutsche Medien nehmen Revanche für Untergang der Stalingrad-Armee


Gespräche in einer russischen Sauna sind vermutlich zu vergleichen mit Gesprächen an einem deutschen Stammtisch. Während der Russe deutsches Bier kennt, kennen nur wenige Deutsche eine russische Sauna. Ich möchte Sie an den Gesprächen teilhaben lassen, die dort jeden Morgen, mehr oder weniger hitzig, geführt werden.
Wieder einmal hat sich unsere Sauna-Runde versammelt. Das Servicepersonal des Fitnessclubs ist in der letzten Zeit sehr bemüht, die Temperaturen auf mindestens 90 Grad zu treiben, beste Voraussetzungen für besonders heiße Themen.
Einer aus unserer Runde begann: Na, Uwe Erichowitsch, was gibt es Neues in den deutschen Medien?
Ich zierte mich nicht lange und begann gleich zu erzählen, dass deutsche Medien in den letzten Tagen fleißig einen Artikel von „Forbes“ kopieren und über den Untergang der „Kaliningrad-Armee“, unter Nutzung sensationeller, sich gegenseitig in der Dramatik übertreffender Artikelüberschriften, berichten.
„Was ist denn das für eine Kaliningrad-Armee“, - fragte einer der Anwesenden, von dem ich genau wusste, dass er Militär ist.
Ich berichtete, dass der Ausgangspunkt ein englischsprachiger Artikel im Journal „Forbes“ in der vergangenen Woche war. Google hatte mir die Überschrift wie folgt übersetzt:
„12.000 russische Truppen sollten Kaliningrad verteidigen. Dann gingen sie in die Ukraine, um zu sterben.“
(“12,000 Russian Troops Were Supposed To Defend Kaliningrad. Then They Went To Ukraine To Die.”)

Nach und nach begannen deutsche Medien diesen Artikel zu übernehmen. Hier und da wurde mal ein Wort geändert und natürlich die Überschrift.
Die Frankfurter Rundschau titelt am 29. Oktober: „Massive Verluste für Russland: „Kaliningrad-Armee“ in Region Charkiw aufgerieben.“
Anscheinend gab es bei der Frankfurter Rundschau nicht genügend Leser, so dass man einen Tag später in der gleichen Zeitung nochmals berichtete – allerdings mit einer neuen Überschrift:
Schwere Verluste für Russland: Russland verliert „Kaliningrad-Armee“. Rückzug aus weiteren Gebieten.
Am 29. Oktober meldete NTV: „Russisches 11. Armeekorps fast vollständig aufgerieben?“

Zum Glück haben diese Medienprofis von NTV ihre Überschrift noch mit einem Fragezeichen versehen, damit die Blamage nicht zu groß wird, falls sich der Bericht von Forbes nicht doch als „Ente“ herausstellt und beginnt, Wellen zu schlagen … äh, Baltische Wellen.
Und irgendwo habe ich noch die Überschrift gefunden: „Schwere Verluste für Russland: Der russische Großverband „Kaliningrad-Armee“ wird von der Ukraine aufgerieben.“
Einer aus unserer Runde unterbrach meinen Redeschwall und fragte, was das denn für ein Unfug sei. Es gab mal vor langer Zeit eine 11. Armee in Kaliningrad, die aber schon in den 90er Jahren aufgelöst wurde. Jetzt gibt es ein 11. Armeecorps im Bestand der Ostseeflotte. Und dieses besteht, wie viele andere Einheiten in der russischen Armee, zu einem großen Teil aus Wehrpflichtigen, die nicht in die Ukraine entsandt werden. Wie kann also das Corps vernichtet worden sein, wenn nur ein Teil der Vertragssoldaten dorthin versetzt wurde?

Foto (Archiv Kaliningrad.ru): Ehemaliges Gebäude des Stabes der 11. Gardearmee in der ul. Komsomolskaja in Kaliningrad. Die 11. Gardearmee wurde im Jahre 1990 aufgelöst.
Ich antwortete, dass ich das nicht weiß. Nicht ich habe das geschrieben, sondern ausländische Medien. Mich wundert überhaupt, wie die Ausländer all diese Details, die im Artikel genannt werden, erfahren haben. Wo sitzen da die Schwätzer oder sind es sogar Verräter?
Ich polemisierte weiter.
Während sonst die deutschen Medien gerne zur revanchistischen Stadtbezeichnung „Königsberg“ greifen, hat man sich in diesem Fall entschlossen, nicht vom Untergang der „Königsberg-Armee“, sondern der „Kaliningrad-Armee“ zu berichten, obwohl es gar keine „Kaliningrad-Armee gibt. Die Kopierer oder Plagiaten des Forbes-Beitrages sind wahrscheinlich alles Ungediente oder Verweigerer und wissen mit dem Strukturbegriff „Armee“ nichts Richtiges anzufangen. Es kann aber auch sein, dass sich der Untergang des „Kaliningrad-Corps“ unzureichend dramatisch anhört, denn der deutsche Medienkonsument könnte glauben, dass ein Corps vielleicht ein Männergesangsverein ist.
Einer aus der Sauna-Runde unterbrach mich und ergänzte:
„Deutschland hat 1943 seine „Stalingrad-Armee“ verloren. Da nimmt man wohl jetzt einfach verbale Medienrache und berichtet vom Untergang der „Kaliningrad-Armee“. Immerhin sind ja auch deutsche Waffen im Einsatz. Goebbels freut sich in der Hölle, dass es doch noch Enkel seiner Schüler in Deutschland gibt“, - meinte der slawische Saunabesucher.

Es gab niemanden in unserer Runde, der ihm widersprach. Selbst unser Liberalissimus konnte sich für meine Deutschmedien-Märchen nicht begeistern und meinte: Er habe nichts davon gehört, dass es Massenbeisetzungen in Kaliningrad gegeben habe. Die meisten, die im 11. Armeecorps dienen, kommen ja aus Kaliningrad selber und würden im Todesfall auch hier begraben werden.
Und er fragte gleich weiter, was denn überhaupt in dem Artikel geschrieben wurde. Niemand aus der Runde wusste es, denn in russischen Medien wurde der Beitrag nicht zitiert – obwohl er von „Forbes“ stammt.
Ich erzählte, dass der deutsche Leser in den fast gleichlautenden Beiträgen erfährt, dass die russische Armee in der Ukraine, kurz nach Beginn des Militäreinsatzes, große Niederlagen erlitten hat. Um die Verluste auszugleichen, wurde das 11. Armeecorps, eben als „Kaliningrad-Armee“ bezeichnet, welches in Kaliningrad stationiert ist, im Mai in die Ukraine verlegt, in den Raum Charkow. Dort erlitt es bereits kurz nach seiner Ankunft, erhebliche Verluste. Dann begann die ukrainische Gegenoffensive im September und die „Kaliningrad-Armee“ wurde praktisch aufgerieben. Einige Einheiten verfügen nur noch über zehn Prozent des Personalbestandes und ein Neuaufbau der „Kaliningrad-Armee“ wird sehr lange dauern, vielleicht aber auch gar nicht mehr möglich sein – schreiben alle in den fast gleichlautenden Artikeln.
Und die deutschen Journalisten kommen zu dem Schluss, dass die „Kaliningrad-Armee“, die vor sechs Jahren geschaffen wurde, um eigentlich Kaliningrad vor der NATO zu schützen, dies nicht mehr kann. Kaliningrad ist schutzlos.
„Dostojewski“, meinte einer aus unserer Runde, winkte ab und alle verließen wir die Sauna, um uns kalt abzuduschen.
Sie, meine lieben Leser und Zuschauer, haben natürlich diesen Wink der abschreibenden deutschen Journalisten mit dem Zaunpfahl schon verstanden: Es wird Zeit, das schutzlose Kaliningrad anzugreifen und Königsberg heim ins Reich zu holen.
Sie sahen einen Beitrag von „Baltische Welle“. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, Tschüss und Poka aus Kaliningrad
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Kommentare ( 3 )
A. Bienenfreund
Veröffentlicht: 5. November 2022 21:21 pmWenn Fantasy-Armeen sterben muß niemand trauern und niemand bestattet werden. Das hat für alle Vorteile. Allerdings glaube ich nicht, das die Nato-Planer den Schmarrn ernst nehmen und demnächst zum Angriff übergehen - soviel Selbstmord ist ihnen - glaube ich - dann doch zuviel.
Müller-Thurgau
Veröffentlicht: 5. November 2022 22:27 pmDie Geschichte von der Geisterarmee ist nicht besonders originell. Aber Goebbels würde sich wundern, wie raffiniert heutzutage die Propaganda ist. Die „Qualitätsmedien“ mit ihrer simulierten „Vielfalt“ verbreiten alle den gleichen Mist und die meisten Leute merken das gar nicht, sie halten sich für bestens informiert. Goebbels trat immerhin als Propagandaminister auf, so daß alle wußten, er verbreitete Propaganda. Heute werden Demokratie und Meinungsfreiheit vorgegaukelt (allerdings mit immer mehr Einschränkungen) und das Ergebnis ist fast das gleiche. Die Medien sind weitgehend gleichgeschaltet und die Köpfe der Menschen auch. Abweichler, die trotzdem selber denken und aufmucken, sind zu wenige, sie gefährden kaum das staatliche Meinungsmonopol. Wenn doch mal einer für das System gefährlich zu werden droht, wird er mit anderen Mitteln bekämpft (Beispiel Ken Jebsen). Konzentrationslager brauchte man dafür bisher nicht mehr, im Moment sitzen aber zwei deutsche Querdenker im Gefängnis.
Bastian Радебергер Radeberger
Veröffentlicht: 6. November 2022 01:40 pmA. Bienenfreund
Veröffentlicht: 5. November 2022 21:21 pm
Dieses Magazin "Forbes" ist doch ein einflußreiches US-Magazin, man kann sagen weltweit. Nun denken wir mal daran, daß es in den USA sehr wichtige Zwischenwahlen gibt, die über das Sein oder Nichtsein des Einflusses der sogenannten Demokraten entscheiden.
Eine solche Meldung über die "Vernichtung" einer ganzen russischen Armee in der Ukraine kann sich doch Granpa Joe an die Brust heften, da er ja der Ukraine die nötige umfassende militärische Unterstützung gewährt hat und diese vielen Milliarden U$D und die gelieferten Waffen damit nicht umsonst waren.
Um noch einen drauf zu setzen, kommt diese Giftnatter Pelosi mit ihrer Story über die Schwerstverletzungen ihres Ehemannes bei dem Überfall auf ihr Haus, um nicht den Mann sondern sie zu entführen. Wahlkampf auf niedrigster Stufe.
Zu den Dreckschleudern von Medien der BRD muß man nicht mehr sagen. Es sind "würdige" Nachfolger eines Joseph Goebbels. Journalismus? Gibt´s nicht mehr