Agenten, Agenten, Agenten – überall Agenten

Agenten, Agenten, Agenten – überall Agenten

Im Jahre 2012 hat die russische Staatsduma das Gesetz über „Ausländische Agenten“ beschlossen. Dieses Gesetz wurde und wird von westlichen Staaten kritisiert. Dass aber auch andere Staaten, so die USA, über ein derartiges Gesetz verfügen – ist weitgehend unbekannt.

Bei Erscheinen von neuen Gesetzen in Russland stellt man sich manchmal die Frage, woher so plötzlich diese Gesetze kommen, denn es muss ja immer irgendein Ideengeber da sein, der hierfür die Anregung gibt. Mich hatte mal interessiert, wie denn die moderne russische Gesetzgebung entstanden ist, also die Gesetzgebung nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Eine mir bekannte Juristin aus Kaliningrad erzählte mir, dass sich Russland bei der Erarbeitung der neuen Gesetzgebung im wesentlichen an der französischen Gesetzgebung orientiert hatte und, da wo es angebracht war, auch ein wenig auf die deutsche Gesetzgebung geschaut hat. Wie in vielen Fällen in der Welt, wurden also bereits vorliegende Dinge genutzt, kopiert (bei Doktorarbeiten spricht man von Plagiat) und an die eigenen Bedürfnisse angepasst.

Und so könnte es wohl auch beim Gesetz über „Ausländische Agenten“ gewesen sein. Wenn ich richtig im Internet recherchiert habe, sind die Vereinigten Staaten von Amerika die ersten gewesen, die ein derartiges Gesetz bereits im Jahre 1938 erlassen hatten. Im Original heißt dieses Gesetz

Dieses amerikanische Gesetz fordert, genau wie das im Jahre 2012 in Russland verabschiedete Gesetz, dass „Ausländische Agenten“, die sich in der amerikanischen Politik tummeln und, die die Interessen ausländischer Staaten oder ausländischer Privat- oder juristischer Personen wahrnehmen, offenlegen, mit was sie sich konkret beschäftigen und woher sie das Geld erhalten. Als „Ausländischer Agent“ wird in den USA derjenige bezeichnet, der

„… auf Befehl, auf Bitte, unter Anleitung oder unter Kontrolle eines ausländischen Prinzipals handelt und sich mit politischer Arbeit im Interesse dieses Prinzipals beschäftigt.“

Das Ziel dieses Gesetzes, so wird es formuliert, ist die Erleichterung der Einstufung derartiger Personen durch die amerikanische Regierung und die amerikanische Öffentlichkeit. Unter politischer Aktivität versteht dieses Gesetz Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, Positionen der amerikanischen Regierung zu ändern, Einstellungen eines Teils der Bevölkerung in der Innen- und Außenpolitik zu beeinflussen.

Tja, wer hätte das gedacht, dass die Amerikaner schon im Jahre 1938 befürchteten, dass Ausländer etwas machen könnten, was den Amerikanern nicht genehm ist. Die Russen befürchten dies erst seit 2012 – vermutlich haben sie in den Jahren davor einfach nur Erfahrungen ertragen müssen und haben dann erkannt, dass die Amerikaner doch die Klügeren sind und haben die Erfahrung der Leute aus Übersee genutzt, um sich in Russland die gleiche Übersicht zu verschaffen, die die Amerikaner schon seit 79 Jahren haben.

Das russische Gesetz über „Ausländische Agenten“ fordert, dass die Organisation, die den Status erhalten hat, in ihren Veröffentlichungen, gut sichtbar, darauf hinweisen muss, dass man Ausländischer Agent ist. Und was soll ich Ihnen sagen – auch das amerikanische Gesetz fordert dies, allerdings schon seit dem Jahre 1938.

Allerdings gibt es ein paar kleine organisatorische Unterschiede in der Umsetzung der Gesetze in beiden Ländern. Während in Russland das russische Justizministerium für die Einhaltung des Gesetzes verantwortlich zeichnet, ist auch in den USA dieses Ministerium zuständig. Allerdings gibt es dort eine Sonderabteilung für die Spionageabwehr und genau diese ist zuständig. Es steht nun also die Frage, wer in seiner Gesetzgebung davon ausgeht, dass Agenten auch Spione sind. Wir erinnern uns, dass, im Zusammenhang mit diesem russischen Gesetz, nicht wohlmeinende Medien und Politiker im Westen immer das Wort „Agent“ mit „Spion“ gleichsetzen, dabei aber immer nur das russische Gesetz im Auge hatten.

Und es gibt noch einen kleinen Unterschied. Während man für die Verletzung dieses Gesetzes in Russland mit Geldstrafe belegt werden kann (bis 300.000 Rubel für juristische Personen und bis 100.000 Rubel für Privatpersonen), kleckern die USA nicht, sondern drohen Strafen bis fünf Jahre Freiheitsentzug an.

Es gibt Quellen (die ich nicht überprüfen kann), die behaupten, dass mit Stand 2007 (also schon etwas ältere Daten) 1.700 Lobbyisten aus 100 Ländern in der US-Datenbank über „Ausländische Agenten“ erfasst waren. An diese Erfolge kann Russland nicht anschließen, da die russische Datenbank real auch erst im Jahre 2013 zu funktionieren begann. Die Anzahl der Ausländischen Agenten ist somit in Russland sehr übersichtlich:

Allerdings zeigt diese Statistik nicht ganz die Wahrheit, denn es wurden seit 2013 wesentlich mehr Organisationen in Russland der Status „Ausländischer Agent“ zuerkannt. Aber im Jahre 2015 gab es eine Korrektur dieses Gesetzes. Diese sah vor, dass, wenn die Gründe für die Verleihung dieses Status nicht mehr zutreffen, dieser Status auch wieder aberkannt werden kann. Um in Russland „Ausländischer Agent“ zu werden, müssen drei Bedingungen erfüllt sein:

  • es muss sich um eine nichtkommerzielle Organisation handeln,
  • diese Organisation muss sich mit politischer Arbeit beschäftigen,
  • diese Organisation muss aus dem Ausland finanziert werden.

Im Gegensatz zu den USA kann also in Russland eine Privatperson oder juristische Person (GmbH, AG usw.) kein „Ausländischer Agent“ werden.

Verzichtet eine nichtkommerzielle Organisation auf eine dieser drei Voraussetzungen, kann der Status wieder aberkannt werden. Eine ganze Reihe von russischen Organisationen hat dieses Angebot seit 2015 angenommen, ein weiterer Teil hat sich entschlossen, die Tätigkeit einzustellen. Während noch im Jahre 2015 und 2016 aus den Datenbanken des russischen Justizministeriums diese Informationen frei verfügbar waren, hat man diese jetzt entfernt und es werden nur noch die Organisationen gezeigt, die aktuell den Status besitzen.

Insgesamt gibt es in Russland – Stichtag 1. April 2017 – 224.514 nichtkommerzielle Organisationen. Das russische Justizministerium hatte im Jahre 2014, also dem Jahr, wo das Gesetz zu greifen begann, informiert, dass in ganz Russland 4.108 NKO tätig sind, die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten. Insgesamt handelte es sich um die Summe von 70 Milliarden Rubel, die das großzügige Ausland diesen russischen NKO zur Förderung deren Engagements überwies. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind 159 dieser Organisationen als „Ausländische Agenten“ eingestuft, also 0,07 % aller nichtkommerziellen Organisationen und nicht ganz vier Prozent der Organisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten. Mir scheinen diese Zahlen doch recht übersichtlich.

Das russische Gesetz über „Ausländische Agenten“ wurde am 29. Juni 2012 zur ersten Lesung in die russische Staatsduma getragen und nach der dritten Lesung am 13. Juli 2012 beschlossen. Wir hatten bereits weiter oben beschrieben, wer diesen Status erhalten kann. Also nur der Erhalt von Geld aus dem Ausland für die Unterstützung einer Idee, einer Arbeit, ist keine Grundlage. Sollte also jemand in Russland eine NKO zur Züchtung und Pflege von Lila-Druckpapier gründen und dabei finanziell von der Firma „Epson“ oder der Bundesregierung in Deutschland unterstützt werden, so interessiert dies niemanden im russischen Justizministerium. Sollten allerdings auf diesem Lila-Druckpapier Artikel mit Inhalten gedruckt werden, die sich mit dem „Gesetz zum Schutz der Kinder und Jugendlichen in Russland“ befassen und hierbei insbesondere mit dem Absatz über die „sexuell nichttraditionell orientierten Personen“, könnte dies die Aufmerksamkeit des Justizministeriums in Moskau wecken.

Wer sich auf dem Gebiet der Wissenschaft, der Kultur, der Kunst, des Gesundheitswesens, im sozialen Bereich tummelt, sich um Kinder kümmert, Sport, Tierschutz oder humanitärer Hilfe als Arbeitsgegenstand hat, kann ebenfalls kein „Ausländischer Agent“ werden.

Wie funktioniert nun in der Praxis dieses Gesetz in Russland?

Der russische Gesetzgeber geht prinzipiell davon aus, dass die NKO selber einschätzt, ob sie in die Kategorie „Ausländischer Agent“ gehört oder nicht. Die Festlegungsmerkmale sind ja sehr übersichtlich. Schwierigkeiten bestehen natürlich bei der Definition „politische Arbeit“. Dieser Begriff kann unterschiedlich ausgelegt werden, was wohl auch sehr viele dieser NKO tun. In diesem Fall wird der Gesetzgeber aktiv. Wenn er Kenntnis von Fakten erhält die nahelegen, dass die NKO ihrer Melde- und Registrierungspflicht nicht nachkommt, erfolgt eine Kontrolle. Zeigt diese Kontrolle, dass die Organisation die Anforderungen an einen „Ausländischen Agenten“ erfüllt, so fordert das Justizministerium dazu auf, sich zu registrieren. Erfolgt diese Registrierung, ist damit das Thema erledigt. Die NKO hat ab sofort bei allen Veröffentlichungen darauf hinzuweisen, dass sie den Status „Ausländischer Agent“ hat und hat auch eine etwas differenziertere Buchhaltung und statistische Abrechnung dem russischen Staat vorzulegen. Ansonsten geht die Arbeit genau so weiter wie vorher, ohne jegliche Einschränkungen.

Kommt die Organisation der Aufforderung des Justizministeriums, sich als „Ausländischer Agent“ zu registrieren, nicht nach, so können Strafen bis zu 300.000 Rubel für die Organisation und bis zu 100.000 Rubel für den Leiter der Organisation verhängt werden und im Ergebnis eines Gerichtsurteils wird der Status „zwangsweise“ vergeben. Auch danach ändert sich für die Organisation nichts, außer, dass sie eben um bis zu 300.000 Rubel ärmer ist.

Natürlich äußerte sich auch der damalige Botschafter der USA in Russland Mike McFaul in einem Interview mit BBC am 9. Juni 2013 zu diesem neuen Gesetz, denn er erklärte:

Ich bin davon überzeugt, dass Mr. McFaul die Wahrheit gesagt hat, denn Botschafter lügen nicht, sie drücken sich nur diplomatisch aus.

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Kommentare ( 1 )

  • Eckart

    Veröffentlicht: 13. April 2022 11:30 pm

    Das Prozedere mit diesem Bürokratiepapier wird doch auf der Welt sehr unterschiedlich gehandhabt. - In Deutschland erhält das Kind die SB des Vaters - hingegen erhält in Frankreich ein Kind die französische SB, wenn es in Frankreich geboren wurde. In Dänemark kann man Däne werden, wenn einer der Elternteile dänisch ist.
    Erstaunlicher scheint mir der Begriff "Personalausweis" zu sein. - Bei uns gilt man als Personal des Staates, also nicht als menschliches Individuum. Das besonders schlimme daran ist sogar, dass der Name in Großbuchstaben geschrieben wird - das ist eigentlich ein Hinweis darauf, dass die Obrigkeit ihre Bürger für Sklaven hält, denn schon im alten Rom schrieb man die Namen der Sklaven mit großen Buchstaben und nur die Senatoren und Oberschicht benutzten nur für den Anfangbuchstaben die Großschreibung.
    Die "SB" ist eine bürokratische Klassifizierung. Menschen bräuchten eigentlich gar keinen persönlichen Staat, sondern eben nur das Bewusstsein, ein Mensch zu sein.

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