Agenten gehen, Agenten kommen – Eintracht oder Zwietracht?

Die Wellen werden wieder hochschlagen in Kaliningrad. Erst am Wochenende wurde bekannt, dass das „Russisch-Deutsche-Haus“ seine Pforten geschlossen hat. Nun wurde die „Nachfolgeorganisation“ überraschend schnell zum „Ausländischen Agenten“ erklärt. Es sind keine leichten Zeiten für Deutschland und die Deutschen in Kaliningrad, denn seit 2014 jagt ein Skandal den anderen.
Es ist zum verzweifeln und es scheint kein Ende des Verzweifelns für die Deutschen und die Russen deutscher Nationalität in Kaliningrad in Sicht. Seit August 2014, als der deutsche Diplomat Daniel Lissner mit der sogenannten „Lissner-Affäre“, einer antirussischen Hass-Rede im Deutsch-Russischen Haus, den Auftakt gegeben hat, kommen die Deutschen nicht mehr aus den Negativ-Schlagzeilen heraus. Am vergangenen Wochenende veröffentlichte eine nichtautorisierte Mitarbeiterin des „Russisch-Deutschen Hauses“ über Facebook eine Mitteilung, dass das „Deutsch-Russische-Haus“ nicht mehr existiert“. Fast alle Kaliningrader Medien haben diese Mitteilung aufgenommen und in einer Art verbreitet, dass der Leser annehmen musste, der böse russische Staat hätte hier mal wieder willkürlich zugeschlagen. Sie hat damit weder sich, noch dem Haus einen Gefallen getan, denn letztendlich sahen sich die Offiziellen, also der Präsident des Hauses Viktor Hoffmann und der Direktor des Hauses Andrej Portnjagin gezwungen, sich doch der Presse mitzuteilen, der sie sich in den letzten Tagen verweigert hatten. Leider haben Sie nicht rechtzeitig die Möglichkeiten genutzt, die ihnen in freundschaftlicher Verbundenheit angeboten worden waren und so müssen sie eben mit den Folgen leben.
Beide Verantwortliche erklärten, dass das „Deutsch-Russische-Haus“ nicht durch den russischen Staat geschlossen worden ist, sondern man freiwillig die juristische Person liquidiert habe. Gegenwärtig befinde man sich in der Phase einer Reorganisation – so die Kurzfassung der Erklärung.

Russland war aber nicht sehr daran interessiert, den Skandal hochkochen zu lassen und so traf man anscheinend hinter den Kulissen mit den Verantwortlichen ein Abkommen über eine Reorganisation. Äußerlich war dies dadurch erkennbar, dass das Haus einerseits seine Klage gegen den russischen Staat zur Entscheidung des Justizministeriums zurückzog und andererseits sich das Haus jetzt „Russisch-Deutsches-Haus“ nannte, allerdings nur in der russischen Übersetzung. In der deutschen Übersetzung blieb es bei „Deutsch-Russischem-Haus“, was natürlich nicht korrekt ist. Aber das sind Förmlichkeiten, Äußerlichkeiten. Leider setzten sich die Verletzungen der selbst erarbeiteten Statuten des Hauses fort. Man führte politische Veranstaltungen durch, empfing ausländische Militärs in den vier Wänden des Hauses, gestattete russischen Organisationen, die des Extremismus verdächtigt werden, öffentliche Auftritte. Und so muss man sich nicht wundern, wenn der russische Staat reagiert.
Viktor Hoffmann, der Präsident des Hauses hatte 2016 laut und öffentlich erklärt, dass er das „Russisch-Deutsche-Haus“ sofort schließen werde, wenn es den Titel „Ausländischer Agent“ erhält. Warum er dies tun will? Keine Ahnung, denn alleine die Verleihung des Titels hat keinerlei Einfluss auf die Tätigkeit der Organisation. Sie kann weiter so arbeiten wie bisher, sich mit Politik beschäftigen, Geld aus dem Ausland erhalten, die russische Gesellschaft kritisieren – kurz, man kann alles tun, was das Gesetz nicht verbietet.
Lassen Sie mich kurz einen Ausflug zum Thema „Ausländischer Agent“ machen.
„Ausländischer Agent“ kann nur eine NGO oder eine NKO werden, also eine Nichtstaatliche Organisation, eine Nichtkommerzielle Organisation. Es handelt sich um gesellschaftliche Einrichtungen, die selber kein Geld verdienen, keinen Gewinn erwirtschaften. Um zu leben und ihre Arbeit zu organisieren benötigen diese Einrichtungen aber Geld. Woher das Geld kommt, ist dem russischen Staat eigentlich egal. Oftmals unterstützt auch der russische Staat diese Organisationen, wenn sie denn von Interesse für die gesellschaftliche Entwicklung im Lande sind. Im Jahre 2013 hat sich der russische Staat aber entschlossen, eine Klassifizierung der NGO/NKO vorzunehmen. Er ist der Ansicht, wenn sich eine NGO/NKO mit Politik beschäftigt und Geld aus dem Ausland erhält, vertritt sie ausländische Interessen, ist also ein Agent ausländischer Interessen, also ein „Ausländischer Agent“. Beschäftigt sich eine NGO/NKO mit der Erforschung und Züchtung deutscher oder chinesischer Mopse und erhält dafür Gelder aus den USA und Island, dann ist sie kein „Ausländischer Agent“, denn es fehlt die zweite Voraussetzung, nämlich die politische Betätigung.
Ist eine NGO/NKO „Ausländischer Agent“, so bedeutet dies in der Praxis, dass man ein wenig mehr Papier ausfüllen muss – mehr aber auch nicht. Man kann ganz normal weiter arbeiten. Wer dieses Attribut wieder loswerden will, muss entweder Geld im Inland von russischen Sponsoren bekommen oder muss sich mit nichtpolitischen Themen beschäftigen. Alles also sehr einfach und verständlich und überhaupt nicht kompliziert.
Kommen wir nun zurück nach Kaliningrad. Dort wurde Anfang der 90er Jahre durch deutsche Interessierte das „Deutsch-Russische-Haus“ geschaffen. In der Rechtsform ist es eine NKO. Geld bekommt dieses Haus seit vielen Jahren aus den Kassen des deutschen Innenministeriums, also vom deutschen Steuerzahler. Das Haus beschäftigt sich mit Kultur und Bildung im Rahmen der Interessen der Russlanddeutschen in Kaliningrad. 1998 wurde eine weitere NKO „Eintracht“ gegründet und diese NKO wurde zum Mitgesellschafter des „Deutsch-Russischen-Hauses“. Viktor Hoffmann, bekannt als Präsident des „Deutsch-Russischen-Hauses“ ist in beiden NKO der Hauptverantwortliche.
Anmerkung UN: Bei den Recherchen zu diesem Artikel fand ich, dass im Kaliningrader Gebiet fünf „Deutsche nationale kulturelle Autonomien“ registriert sind. Ein durchaus interessanter Fakt, dass man anscheinend in der kleinen Kaliningrader Region mit rund 8.000 Russlanddeutschen keine einheitliche Vertretung schaffen kann. Es steht die Frage, ob die Interessen der wenigen Russlanddeutschen zu Fragen der Sprache und Kultur soweit auseinanderdriften, dass man fünf derartige Autonomien benötigt?
Nun hat die NKO „Deutsch-Russisches-Haus“ seit (mindestens) 2014 die zwischenstaatlichen Vereinbarungen und eigenen Statuten verletzt und der russische Staat hat reagiert. Es drohte der Titel „Ausländischer Agent“ und Viktor Hoffmann erklärte, dass er die juristische Person „Deutsch-Russisches-Haus“ liquidieren werde, was im Dezember 2016 geschehen ist.
Aber das Leben geht weiter und das Haus sollte als Kultureinrichtung für die Russlanddeutschen natürlich erhalten bleiben. Und so führte man die „Reserve“ heran und wollte die NKO „Eintracht“, die Mitgesellschafter des „Deutsch-Russischen-Hauses“ war und als juristische Person erhalten blieb, als neue Organisationsform deklarieren. Das Haus sollte also zukünftig „Haus Eintracht“ heißen.
Allerdings wurde die Eintracht dieser „Eintracht“ durch eine außerplanmäßige Kontrolle des russischen Justizministeriums gestört, denn man stellte im Rahmen dieser Kontrolle fest, dass auch diese NKO (wie kann es auch anders sein) sich mit Politik beschäftigt und Gelder aus dem Ausland erhält. Und am 31.01.17 erhielt die NGO „Eintracht“ den Titel „Ausländischer Agent“ und wurde in das Register des Justizministeriums eingetragen.


Grafik: Registrierte deutschorientierte NKO im Kaliningrader Gebiet
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Kommentare ( 4 )
ru-moto
Veröffentlicht: 2. Februar 2017 03:06 pm[...allerdings beschäftigt sich diese Organisation (gesamtrussischer Verband der Russlanddeutschen) NICHT mit politischen Dingen, sondern der Pflege der deutschen Kultur und Sprache, also genau dem, mit dem sich eigentlich ja auch das Haus in Kaliningrad beschäftigen SOLLTE. Was spricht also gegen diesen Schritt?]
Vielleicht, dass man sich NICHT wirklich der Pflege der deutschen Kultur, Bildung und Sprache widmen will, sondern primär POLITISCHE Ziele verfolgt...
Bastian Радебергер Radeberger
Veröffentlicht: 2. Februar 2017 14:44 pmNaja Uwe, Kaliningrad oder Königsberg, wie es so manche wieder haben wollen, ist eben nicht das große Rußland, sondern diese kleine aber wichtige unsinkbare Insel an der Ostsee, umgeben von brandenden Natostaaten, die nun mal mit diesem großen Rußland nicht gut Freund sind. Ob nun aus diesem oder jenem Grund, sie haben den Auftrag zu stören und zu stänkern.
Das könnte ja alles weder das kleine noch das große Land stören, also muß man nach dem Motto handeln, es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Und wie es in vielen anderen Ländern, zuletzt in der Ukraine praktiziert wurde, man muß sich aus unzufriedenen, oft verblendeten, manchmal aus dummen Menschen eine Fünfte Kolonne schaffen, die im richtigen Moment, die Ordnung zu Fall bringt und Chaos erzeugt.
Und das sind keine Hirngespinste von mir. Ein gefälliger Helfer bei der ganzen Geschichte, der Schokoladen-König aus der Ukraine hat ja Rache schworen, daß er in der Ostukraine kein Blutbad anrichten durfte. Und zu wem fährt dieser Putschist immer, um sich der Hilfe und der finanziellen Unterstützung zu versichern? Genau, nach Berlin zur Merkel. Und wer hatte dieses Affentheater mit der Gasprinzessin zuvor groß aufgezogen und die ansonsten honorigen Medizin-Professoren der Berliner Charite´ zu lächerlichen Scheingutachten für diese Simulantin Julia offensichtlich angestiftet? Die Antwort ist doch gar nicht so schwer.
Aber hat diese Dame aus Berlin allein gehandelt oder hatte sie Auftraggeber und Unterstützer?
Und da schließt sich wieder der Kreis. Es hatte jemand jemandem angedroht, daß er dafür teuer bezahlen würde. Das war der mit dem Oberlehrerzeigefinger. Der wollte doch eigentlich die Striche und Sternefahne wehen sehen über der russischen Heldenstadt Sewastopol und die Schiffsparade der Navy abnehmen. Und das wurde ihm versaut.
Und nun will man große Rache nehmen und das in dem kleinen Land an der Ostsee.
A. Bienenfreund
Veröffentlicht: 3. Februar 2017 12:48 pmDer Herr Hoffmann scheint zu glauben, er bekommt Geld vom deutschen Innenministerium, weil er so ein toller Kerl mit schickem Bart ist. "Ausländischer Agent" - Frecheit. Nur weil er ausländisches Geld nimmt ist er doch kein Agent! Der Kerl ist lustig.
Bastian Радебергер Radeberger
Veröffentlicht: 11. Februar 2017 20:38 pmIm ZDF gab´s jetzt einen richtigen gruseligen Agententhriller. Ein "geflüchteter " SFB-Oberst, der geheim gehalten wird, hat angeblich ausgepackt. Und das ZDF hat diese Geschichte aufgearbeitet und ausgestrahlt. So viel Blödsinn, was dieser angebliche ehemahlige Führungskader (er will zum Kreis der fünfzig Führungskräfte des SFB gehört haben) so von sich gegeben hat.
Ich habe mich jedenfalls einerseits köstlich amüsiert, andererseits geärgert, daß für solchen Schmarrn Geld und Sendezeit verschwendet werden.
Tja, Uwe, das sind die richtigen Agenten. Die wollen für ihre enthüllenden Infos kein Geld haben. Genauso wenig wie die Märchenerzähler beim ARD - Seppelt. Nun wollte eben ZDF auch mal eine solche dilettantische Räuberpistole zu bester Sendezeit bringen. Ich meine, es gibt noch genügend gutgläubige Fernsehzuschauer, denen der Schauder über die Gänsehaut am Körper rauf und runter gelaufen ist.
Am Besten hat mir die Unkenntlichmachung des ehemaligen Spitzenagenten des FSB gefallen.
Uwe Erich Niemeier
Veröffentlicht: 11. Februar 2017 21:13... ich habe von der Sendung gehört, aber nicht gesehen. Kann sein, dass ich da gerade auf Reisen war.