Drei Kreuze für die Kreuz-Apotheke in Kaliningrad

Drei Kreuze für die Kreuz-Apotheke in Kaliningrad

MEINE MEINUNG, … mit deutschem akzent, kommentiert russische wirtschaftliche, politische, kulturelle und gesellschaftliche Ereignisse aus dem Blickwinkel eines Deutschen. Die Rubrik ist der Versuch, mit etwas BLOGGER-Hintergrundwissen dem deutschen Leser die manchmal nicht einfachen Verknüpfungen in der russischen Realität etwas verständlicher zu machen.

Drei Kreuze für die Kreuz-Apotheke in Kaliningrad

Ehrlich gesagt, manchmal wünsche ich mir so ein klitzekleines Erdbeben wie wir es schon mal vor einem Dutzend Jahren in Kaliningrad hatten und die Reste der Kreuz-Apotheke brechen zusammen. Dann gäbe es einen einzigen kurzen Aufschrei der Traurigkeit, aber damit ist endlich dieses traurige Kapitel erledigt. Nun ärgern wir uns auch schon ein Dutzend Jahre über mehr oder weniger sachliche Diskussionen und Meinungsäußerungen zum Schicksal dieses traurigen Gebäudes. Warum ausgerechnet dieses Gebäude immer wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit steht ist mir nicht ganz klar, denn es gibt genügend andere altdeutsche Gebäude in Kaliningrad, denen eine Restaurierung nötig tun würde und das Gebäude der Kreuz-Apotheke zeichnet sich auch nicht unbedingt durch irgendwelche architektonischen Besonderheiten aus – mal von irgendwelchen Torbögen und der altdeutschen Inschrift „Kreuz – Apotheke“ mal abgesehen.

Foto: Ansichtskarte der Sehenswürdigkeit von Kaliningrad im Jahre 2015

 

Aber da man ein Erdbeben nicht planen kann, muss man sich um das Schicksal dieser Restmauern kümmern und so hat die Kaliningrader Stadtverwaltung, nachdem sie alle rechtlichen Formalitäten per Gerichtsbeschluss mit dem Vorbesitzer geregelt hat, nun per 20. November eine Ausschreibung gestartet und Interessierte können bis zum 15. Dezember ihr Angebot für das in der ul. Frunse gelegene Grundstück nebst Mauerresten beim Bürgermeister einreichen. Am 23. Dezember werden alle eingereichten Angebote geöffnet und derjenige ausgewählt, der das beste Angebot gemacht hat. Was man unter „bestes Angebot“ versteht, bleibt abzuwarten, wenn die Stadtväter ihre Auswahl begründen, denn um Geld geht es eigentlich weniger.

Das finanziell höchste Angebot abzugeben ist eigentlich gar nicht so schwer, denn selbst wenn man die geforderte Mindestsumme um 100 Prozent überbietet, muss man nur zwei Rubel, also umgerechnet 0,02 Euro auf den Tisch packen. Ob aber der Bieter dann mit dem Gebäude glücklich wird ist eine Einstellungsfrage, denn das, was dann noch investiert werden muss, kostet nach Ansicht des Vorsitzenden des Kaliningrader Stadtrats Andrej Krapotkin mindestens 1,5 Mio. Euro – mal ganz vorsichtig und billig geschätzt. Und der Bürgermeister Jaroschuk hatte sich mal dahingehend geäußert, dass man mit dem Gebäude kein Geld verdienen kann. Naja, sagen wir es mal so: nach russischen Vorstellungen kann man damit kein Geld verdienen, für einen Deutschen, der mit anderen Gewinnmargen und Amortisationszeiten rechnet, könnte sich das Gebäude schon lohnen – ein wenig Idealismus natürlich vorausgesetzt.

Ich habe mal nachgerechnet – also ganz grob eine Kalkulation erstellt, denn mit derartigen Berechnungen verdiene ich eigentlich sonst mein Geld, wenn ich nicht gerade irgendwelche Artikel auf Internetportalen schreibe.

Das Gebäude, bzw. dessen traurige Überreste hat eine Fläche von 3.150 m2. Wenn wir von einem Selbstkostenpreis von 500 Euro pro Quadratmeter für den Neubau eines Gebäudes ausgehen, da komme ich auf 1,6 Mio. Euro. Dann kommt der Innenausbau nochmal mit der gleichen Summe dazu. Da aber die Fragen des Denkmalschutzes zu beachten sind, schlagen wir großzügig nochmal eine Summe von 0,5 Mio. Euro hinzu. Dazu bilden wir noch eine Finanzreserve (für den Fall aller Fälle) von 0,3 Mio. Euro, so dass ein Investor schon vier Millionen Euro mitbringen sollte. Diese Summe umgelegt pro Quadratmeter, kommen wir auf den Preis von rund 1.300 Euro. Da kennt man in Deutschland, aber auch in Kaliningrad noch ganz andere, wesentlich höhere Summen.

Und was die Amortisierung anbelangt – in Deutschland rechnet man wohl (genau weiß ich es nicht) mit rund 20 Jahren. Der Russe rechnet mit drei, vielleicht fünf Jahren. Also ein deutscher Investor hätte hier wesentlich bessere Chancen.

Aber womit kann man Geld verdienen? Womit kann man jährlich zwischen 200.000 – 400.000 Euro verdienen?

Immer wieder wird der Gedanke eines Hotels genannt. Das ist nun wirklich ein Gedanke, wenn einem nichts Besseres einfällt, denn der Platz selber ist für ein Hotel, nach meinem Geschmack, denkbar ungeeignet: Keine Parkplätze und aus dem Fenster des zukünftigen Hotels blickt man auf Kaliningrader Alltägliches – um es mal nett zu formulieren. Das einzig Angenehme ist wohl, dass es bis zum Königstor nur fünf Minuten zu Fuß sind und bis zur Ruine des Königsschlosses 10 Minuten. Aber wenn ich mich daran erinnere, dass die heutigen Hotelbetreiber in Kaliningrad sich über eine Nichtauslastung beschweren, steht für mich die Frage, warum ausgerechnet ein Hotel an dieser Stelle ausgelastet sein soll. Die paar Tage der Fußball-Weltmeisterschaft machen da den Kohl bestimmt nicht fett. Also für mich käme ein Hotel nicht in Frage.

Karte: Kaliningrad mit Standort der Kreuz-Apotheke und anderen Sehenswürdigkeiten

 

Ich selber beschäftige mich in Kaliningrad schon seit 1998 mit Immobilien, der Instandsetzung, Vermarktung, Betreuung und Verwaltung. Erfahrungen, gute wie schlechte, liegen ausreichend vor. Wenn mich also jemand fragen würde, so würde ich dieses Gebäude wieder als Wohnhaus herrichten, mit Ein- und Zweiraumwohnungen, ganz wenigen Dreiraumwohnungen. Natürlich sollte die alte Kreuz-Apotheke auch wieder an der Originalstelle einen Platz finden – wenn möglich im altdeutschen Stil und natürlich mit russischen Medikamenten. Dann erinnere ich mich an die schwärmerischen Worte des Kaliningrader Bürgermeisters Jaroschuk vor einigen Monaten, der dort in seiner Kindheit gewohnt hat und regelmäßig in einem kleinen Restaurant in diesem Gebäude Pelmeni gegessen hat. Auch das sollte man wieder herrichten. Und vielleicht findet sich auch noch Platz für kleine Besprechungsräume und für Office-Räumlichkeiten – nach dem Motto: „Leben und Arbeiten unter einem Dach“.

Natürlich sollte dann diese Immobilie nicht verkauft, sondern vermietet werden. Das dürfte auch Garantie sein, dass nicht jeder Bewohner – wie leider in Kaliningrad üblich – nach dem Einzug beginnt, seinen Balkon und seine Fassade individuell zu gestalten. Bei einer Vermietung, mit einem guten „Hausherrn“ wird dieses architektonische Kleinod dann immer seine Anziehungskraft behalten. Das man für das Wohnen und Arbeiten in diesem Haus auch mal etwas tiefer in die Tasche greifen muss – ja, das ist so. Aber dafür wohnt man dann auch in einem Haus, das sich nicht jeder leisten kann und vor allem: man wohnt ständig im Zentrum der Aufmerksamkeit.

Rechnen wir mal kurz nach: Das Haus hat 3.150 m2 Gesamtfläche, davon könnten 2.000 m2 reine Nutzfläche sein. Bei einer durchschnittlichen Wohnungsgröße von 50 m2 könnten hier 40 Wohnungen entstehen. Bei einer durchschnittlichen Miete von 500 Euro macht das 240.000 Euro Mieteinnahmen im Jahr. Dazu kommen noch Mieteinnahmen für Apotheke, Restaurant und sonstige Dienstleistungen – mir scheint, dass sich das Projekt rechnet.

Ach so, vielleicht noch ein paar Worte zu den weiteren Bedingungen die derjenige erfüllen muss, der dieses Gebäude erwirbt. Immerhin hat die Kaliningrader Stadtverwaltung aus der Vergangenheit gelernt und will die Fortsetzung des architektonischen, investorischen und organisatorischen Elends nicht weiter zulassen.

Da wir im Jahre 2018 vermutlich die Fußball-Weltmeisterschaft mit vier Gruppenspielen ausrichten, muss der Investor dieses Gebäude auch bis dahin fertiggestellt haben. In jedem Quartal hat er der Stadtverwaltung Bericht zu erstatten über die durchgeführten Arbeiten, die in einem Vertrag alle fixiert werden. Wenn er diese vertraglich vereinbarten Dinge nicht erfüllt, hat die Stadtverwaltung das Recht, ihm die Eigentumsrechte wieder zu entziehen und er hat 50 Prozent der Kosten des Gebäudes und des Grundstückes als Strafe zu bezahlen. Was man unter „Kosten des Gebäudes“ versteht, ging aus den uns vorliegenden Informationen nicht hervor. Auf alle Fälle wird es nicht ganz billig.

Schon im September 2013 hatten wir in dieser Rubrik ausführlich über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Kreuz-Apotheke berichtet. Vielleicht interessiert es Sie, was wir damals geschrieben haben?

Natürlich ist das Gebäude an sich nichts mehr wert, deshalb ist das Mindestangebot ja auch nur ein Rubel. Aber das dazugehörige Grundstück unter den sterblichen Überresten der Kreuz-Apotheke wird mit rund 12 Mio. Rubel angegeben. Also, ganz so billig ist es dann doch nicht – dieses Kreuz mit der Apotheke. Aber es ist eben alles Verhandlungssache
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Kommentare ( 1 )

  • Bastian Радебергер Radeberger

    Veröffentlicht: 23. November 2015 03:25 pm

    Hallo Hausmann,
    rechnen Sie mal für München lt. der Mietberechnung gemäß dem gültigen Mietspiegel für eine durchschnittliche Wohnlage in einem Stadthaus, erbaut in den vierziger Jahren, eine Wohnung von 50 qm Kaltmiete aus. Dort kommen Sie von knapp 600 bis fast 900 Euro. "Studentenbuden", also ein möblilierte Zimmer (nicht Appartement) werden, was nicht gerade außerhalb der Stadt liegt, für ein fürstliches Trinkgeld von bis zu 500 Euro und natürlich der dann sehr oft einbehaltenen Kaution von angeblichen 2 Kaltmieten reißend los. Oft mit Besuchsregelung u. ä. wie zu Zeiten der Feuerzangenbowle mit Heinz Rühmann.
    Soviel zu mieten in München. Ganz ehrlich, die Münchner haben einen ausgesprochenen Knall an der Birne. Aber nicht nur die.

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