Was macht ein Deutscher in Kaliningrad?

Was macht ein Deutscher in Kaliningrad?

Um kurz auf die Frage in der Überschrift zu antworten: Alles was er möchte. Aber warum möchten nur relativ wenige Deutsche in Kaliningrad etwas machen? Warum sind zum Beispiel Polen und Litauer aktiver? Liegt es nur daran, dass sie unmittelbare Nachbarn sind? Oder liegt es daran, dass sie einfach nur die Möglichkeiten im Kaliningrader Gebiet erkannt haben? Und wie erkennt man eigentlich Möglichkeiten im Kaliningrader Gebiet?

Wirtschaftliche Möglichkeiten in Kaliningrad erkennt man genauso einfach, wie Möglichkeiten in China, Italien, den USA oder irgendwo anders auf der Welt. Man hat einen Geschäftsgedanken, weiß, dass dieser in Deutschland nicht oder nur schwer zu realisieren ist und man sucht einen anderen Ort.

Bei dieser Suche verfällt man häufig in den sogenannten „Herdentrieb“ – man schließt sich der großen Masse an. So war das 1990 mit den ostelbischen Deutschen in Deutschland die im Westen eine bessere Zukunft suchten und so ähnlich ist das auch heute noch in unserer globalen Welt. Gegen den Strom zu schwimmen ist immer schwer, aber wenn man es schafft Hindernisse zu überwinden …

Was mich persönlich wundert ist, dass viele Deutsche, die sich in Russland engagieren wollen, die weite Reise nach Moskau oder St. Petersburg machen. Sicherlich interessante Städte die viel von dem bieten, was ein Westeuropäer an Lebensniveau gewöhnt ist. Aber! Diese Städte sind weit weg von Deutschland, sie sind groß, sie sind hektisch, sie sind teuer … Nein, ich möchte diese Städte nicht schlechtreden. Viele haben dort ihr Glück gemacht. Aber vielleicht kann man auch in Russland mit weniger Aufwand – zeitlichem und finanziellem - glücklich werden?

Kaliningrad, eine für russische Verhältnisse, kleine Stadt. Gemütlich, unfertig, mit kurzen Wegen – kurze Wege rein verkehrstechnisch gesehen, aber auch kurzen Verwaltungswegen. Es ist nicht alles ideal bei uns in Kaliningrad. Aber wir, die Kaliningrader und die paar Deutsche die hier sind, möchten dieses Kaliningrad idealer machen. 

Kaliningrad ist sehr deutschfreundlich eingestellt. Seit 1994 arbeitet die Vertretung der Hamburger Handelskammer in Kaliningrad. 2004 öffnete das deutsche Generalkonsulat seine Türen. Es existiert ein Deutsch-Russischer Wirtschaftskreis, eine Assoziation ausländischer Investoren, ein Baltischer Business-Club, ein Trefftisch Deutschsprachiger. Deutsche Studenten und Lehrer sind in Kaliningrad im Klaus-Mehnert-Institut oder der Kant-Universität. Das Deutsch-Russische-Haus in Kaliningrad fühlt sich an 365 Tagen im Jahr für die Kaliningrader und ihre Gäste verantwortlich. Aber deutsche  Geschäftsleute – die trauen sich wohl nicht so richtig. Warum?

Ja, es ist richtig. In den Massenmedien wird Kaliningrad nicht immer positiv dargestellt. Es schwirren sehr viele negative Stereotype durch die Medien-Landschaft. Aus der Praxis kenne ich das Kaliningrad des Jahres 1995 und das heutige Kaliningrad. In 17 Jahren konnte ich die Höhen und Tiefen der Entwicklung dieses Gebietes unmittelbar vor Ort beobachten. Und glauben Sie mir: die positiven Momente überwiegen eindeutig.

Es ist wirklich nicht schwer, sich in Kaliningrad ein weiteres Standbein zu schaffen oder eine neue Existenz aufzubauen. Der Deutsche muss eben nur wissen was er will. Er sollte idealerweise bereit sein, ein paar russische Sprachkenntnisse zu erwerben (das ist nicht so schwer – ich spreche aus Erfahrung). Eine loyale Einstellung zum Gastgeberland ist hilfreich. Die russischen Gesetze sind nicht schwerer zu verstehen und zu erfüllen wie die deutschen Gesetze. Die Steuergesetzgebung gibt Ihnen zum Geldverdienen alle notwendigen Freiheiten. Und neben gesunden Menschenverstand benötigt man natürlich auch ein wenig Bereitschaft zum Risiko. Wenn der Deutsche dann noch ein wenig Geld und ein durchdachtes Konzept für seine Geschäftstätigkeit mitbringt, kann man sogar den Punkt „Risiko“ auf ein Minimum reduzieren.

Einiges von dem, was ich eben empfohlen habe, habe ich selber nicht beachtet oder gehabt. Deshalb, weil zum Zeitpunkt meiner Arbeitsaufnahme in Kaliningrad, die Bedingungen ganz andere waren. Außerdem plante ich, nur zwei Jahre in Kaliningrad zu bleiben. Ich machte einen Lernprozess durch. Natürlich wurde mir dabei geholfen – von Russen, die in den wenigsten Fällen die negativen Charaktereigenschaften haben, die manchmal gerne im Westen bemüht werden.  

Russische Geschäftsfreunde haben mir die Chance gegeben, ab 1995 das System Duty-Free in Kaliningrad aufzubauen. 1997 haben wir eine Duty-Free-Firma im Süden Russlands gegründet. Im Jahre 2000 begannen wir den Aufbau einer Groß- und Einzelhandelsfirma im Domestikbereich in Kaliningrad und ab 2006 wurde diese Tätigkeit im Süden Russlands entwickelt. Im Jahre 2001 habe ich, nun schon selbstständig, eine Wohnungsverwaltung in Kaliningrad ins Leben gerufen. Und jetzt sind wir dabei ein größeres Hotelprojekt in Kaliningrad zu verwirklichen. Alles Geschäftsideen mit einem nicht ganz einfachen Geschäftsfeld – aber alle erfolgreich.

Aber nicht nur ich lebe und arbeite in Kaliningrad. Es gibt Deutsche die sich mit Logistik und Transport beschäftigen, mit Solarien und Spa-Einrichtungen, mit dem Verkauf von Eis, mit medizinischen Dienstleistungen, mit Tierzucht und dem Verkauf von Tierfutter, mit Immobilien. Und alle verdienen damit ihren Lebensunterhalt. Es läuft vermutlich nicht immer alles glatt – soll auch in Deutschland nicht immer alles problemlos sein – aber viele negative Gerüchte über die Arbeitsweise der staatlichen Organe, begonnen beim Zoll und endend bei der Steuerinspektion treffen – zumindest nach meinen Erfahrungen – einfach nicht zu.

Kaliningrad ist auf vielen Geschäftsfeldern eine „hungrige“ Stadt. Entscheidungsträger in Kaliningrad, egal ob in der Stadtverwaltung oder in der Gebietsregierung, sind bereit zu helfen, insbesondere wenn es sich um Deutsche mit ernsthaften Absichten handelt.

Deutsche, die sich heute für Kaliningrad entscheiden, werden feststellen, dass der Zeitpunkt für eine Karriere vom „Tellerwäscher zum Millionär“ nun schon vorbei ist (ja, diese Zeit hat es in Russland gegeben). Dadurch, dass sich die Gesetzgebung in Russland schnell entwickelt, entwickelt sich auch die Bürokratie. Aber dafür verschwinden auch die rechtsfreien Räume, und derjenige der sich geschäftlich engagiert, lebt heute mit weniger Risiko.

Kaliningrad ist einfach zu unbekannt in Deutschland und die Informationen über die Stadt haben oftmals einen negativen Hintergrund. Visaprobleme, lange Wartezeiten an der Grenze, angebliche Schikanen in der Stadt, Korruption, Kriminalität … All diese Dinge werde ich versuchen in meinen weiteren BLOG-Beiträgen zukünftig zu kommentieren. Sie können sich aber auch mit mir direkt in Verbindung setzen – wenn Sie meine weiteren BLOG-Beiträge nicht abwarten wollen. Lassen Sie uns gemeinsame Gedanken und Ansichten vorurteilsfrei austauschen.

Uwe Niemeier

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Kommentare ( 2 )

  • Steffen Görlich

    Veröffentlicht: 22. Juli 2018 14:39 pm

    Was sehen Sie heute noch genauso wie vor 6 Jahren und was anders?

    • Uwe Erich Niemeier

      Veröffentlicht: 22. Juli 2018 15:05

      ...Sie haben mich echt überrascht mit dieser Frage. Ich musste mir auch den Artikel erst nochmal durchlesen, um mich zu erinnern, wie ich denn vor "so langer Zeit" gedacht und gefühlt habe. Und ich musste feststellen, dass .... ach, wissen Sie, ich glaube, ich werde mit einem neuen Viedeobeitrag etwas ausführlicher antworten. Danke für die Frage und den zugeworfenen Ball.

  • Steffen Görlich

    Veröffentlicht: 22. Juli 2018 23:54 pm

    Eines möchte ich unbedingt bemerken: Durch die vielen Informationen, die ich durch Sie im Domizil im Laufe der Jahre bekommen habe, egal, ob ich die Meinung teilte oder nicht, habe ich ein besonderes Verhältnis zum Oblast gewonnen und ich denke, dass es einigen Anderen genauso geht. Dafür möchte ich mich bedanken.

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